1 Bedeutung der Vorschrift

 

Rz. 1

Lieferungen werden nach dem Grundsatz des § 3 Abs. 7 S. 1 UStG dort ausgeführt, wo sich der Liefergegenstand im Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet, also im Regelfall dort, wo dem Käufer das Eigentum übertragen wird, z. B. durch Einigung und Übergabe gem. § 929 S. 1 BGB. Ursprünglich war es für die USt ohne Bedeutung, ob der Unternehmer einen Gegenstand befördert oder versendet. Hauptzweck der erstmalig in § 4 Abs. 3 UStDB 1934 eingeführten besonderen Regelungen für Versendungslieferungen war es, die Umsatzbesteuerung bei den Ein- und Ausfuhrlieferungen zu vereinfachen. Ein- und Ausfuhren müssten nach dem Grundsatz des § 3 Abs. 7 S. 1 UStG umsatzsteuerlich dort besteuert werden, wo sich der Liefergegenstand im Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. Wenn der Lieferer den Gegenstand zum Abnehmer befördert (Lieferung frei Haus, Incoterm DDP, Rz. 52) läge der Lieferort in Beförderungs- und Versendungsfällen

  • bei Ausfuhren im Ausland und
  • bei Einfuhren im Inland,

wo der Gegenstand am Ende der Beförderung dem Abnehmer übergeben wird (Eigentumsübertragung, § 929 S. 1 BGB = Verschaffung der Verfügungsmacht, § 3 Abs. 1 UStG). Dies hätte insbesondere bei Ausfuhrumsätzen in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten verursacht.

Ohne die Sonderregelung des § 3 Abs. 6 S. 1 bis 4 UStG für Beförderungs- und Versendungslieferungen läge ein im Inland nicht umsatzsteuerbarer Umsatz des Verkäufers vor – ein Ergebnis, das aus steuerlicher Sicht nicht zufrieden stellen kann, soll doch der inländische Unternehmer seinen Umsatz in Deutschland besteuern. Deshalb sieht das deutsche Umsatzsteuerrecht – insofern in Übereinstimmung mit dem EU-Recht (Rz. 3) in § 3 Abs. 6 S. 1 bis 4 UStG vor, dass der Ort der Beförderungs- und Versendungslieferungen abweichend von den zivilrechtlichen Gegebenheiten in Ausfuhrfällen in das Inland verlagert wird (… wo die Beförderung oder Versendung … beginnt). Auf andere Gestaltungsmöglichkeiten bei der Abwicklung des Warentransports (z. B. Lieferung ab Werk, Incoterm EXW) soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden.

2 Entstehung und Entwicklung der Vorschrift

 

Rz. 2

§ 4 Abs. 3 UStDB 1934 enthielt erstmals besondere Regelungen für die Versendungslieferung. Im Bereich des UStG 1951 spielten die Versendungslieferungen außer beim eigentlichen "Versendungsgeschäft" des § 5 UStDB 1951 eine Rolle

  • bei den Ausfuhrlieferungen (§ 4 Nr. 3 UStG 1951, § 4a Nr. 2 UStG 1951),
  • beim Ausfuhrnachweis (§ 25 UStDB 1951),
  • bei der Absetzung vom Entgelt (§ 5 Abs. 4 Nr. 1 UStG 1951) und
  • bei der Ausfuhrhändlervergütung (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 UStG 1951).
 

Rz. 3

Im Zuge der Einführung des Mehrwertsteuerrechts wurde in § 3 Abs. 7 UStG 1968 der Zeitpunkt der Beförderungs- und der Versendungslieferungen gleichermaßen geregelt. Der Zusammenhang mit dem Ort der Lieferung ergab sich unter Einbeziehung des § 3 Abs. 6 UStG 1968. Die erste Ausnahmeregelung erhielt die Vorschrift des § 3 Abs. 7 UStG 1968 durch § 3 Abs. 8 UStG 1980, der den Lieferort bei Beförderungs- und Versendungslieferungen aus dem Drittland in Einfuhrfällen unter bestimmten Voraussetzungen in das Einfuhrland verlegte.[1] Der Ort der Beförderungs- und Versendungslieferungen, bei denen der Liefergegenstand von einem EU-Mitgliedstaat in einen anderen EU-Mitgliedstaat bzw. aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in eines der in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Zollfreigebiete gelangt, wird seit dem 1.1.1993 durch § 3c UStG 1993 geregelt, wenn der Abnehmer den Erwerb dort nicht versteuern muss (z. B. weil er Privatperson ist) und der Lieferer die Lieferschwelle überschreitet oder auf deren Anwendung verzichtet (sog. Versandhandelsregelung, s. hierzu die Kommentierung des § 3c UStG). Vereinfachend zusammengefasst führt die Regelung des § 3c UStG zur Verlagerung des Ortes der Lieferung in das Bestimmungsland, in dem die Beförderung oder Versendung endet.

 

Rz. 4

Bis zum 31.12.1996 galt folgende Fassung des § 3 Abs. 6 UStG:

(6) Eine Lieferung wird dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet.

Die Regelungen über die Bestimmung des Orts einer Lieferung in § 3 UStG 1968-1996 entsprachen nicht den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben (jetzt Art. 32 MwStSystRL). Zur Anpassung an das EU-Recht wurde die inhaltlich neu gestaltete Vorschrift des § 3 Abs. 6 UStG am 1.1.1997 in Kraft gesetzt (Art. 1 Nr. 2 c) des Umsatzsteuer-Änderungsgesetzes 1997 v. 12.12.1996, BGBl I, 1851, BStBl I, 1560). Die Vorschrift des § 3 Abs. 6 UStG 1997 bekam dadurch ihre im Wesentlichen bis heute geltende Fassung und regelt nunmehr anstelle des bisherigen § 3 Abs. 7 UStG 1993 – entsprechend der Reihenfolge im damals maßgeblichen Art. 8 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie – den Ort der Beförderungs- und Versendungslieferungen. Der im Umsatzsteuerrecht allgemein geltende Grundsatz, dass eine Lieferung dort ausgeführt wird, wo sich der Liefergegenstand zum Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet, ist aus dem bisherigen § 3 Abs. 6 UStG 1993 in § 3 Abs. 7 S. 1 UStG 1997 übernommen und dam...

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