3.1 Allgemeine Voraussetzungen

 

Rz. 27

Die Regelung des § 29 UStG setzt eine umsatzsteuerliche Mehr- oder Minderbelastung aufgrund einer gesetzlichen Änderung im UStG voraus. Mehr- oder Minderbelastungen, die durch eine Änderung der Rechtsprechung oder durch Änderung der Verwaltungsauffassung hervorgerufen werden, können durch § 29 UStG nicht zwischen den Vertragsparteien ausgeglichen werden.

 

Rz. 28

Vom Grundsatz ist die Regelung des § 29 UStG darauf ausgerichtet, dass der leistende Unternehmer die aus der Leistung entstehende USt schuldet. In den Fällen, in denen die Steuerschuld nach § 13b UStG auf den Leistungsempfänger übergeht, ist es aber folgerichtig, die Rechtsfolgen des § 29 UStG entsprechend analog anzuwenden.[1] Eine solche analoge Anwendung kann insbesondere in Betracht kommen, wenn zwischen den Vertragsparteien ein Bruttobetrag vereinbart wurde.

[1] Hummel, in Rau/Dürrwächter, UStG, § 29 UStG Rz. 160.

3.2 Eingetretene Mehr- oder Minderbelastung

 

Rz. 29

Der Gesetzgeber hat in § 29 Abs. 1 UStG die Fälle aufgezählt, in denen eine Mehr- oder Minderbelastung zu einer Ausgleichsfähigkeit führen kann:

  • Änderungen bei der Steuerbarkeit,
  • Änderungen bei der Steuerpflicht,
  • Änderungen bei dem anzuwendenden Steuersatz.
 

Rz. 30

Allerdings ist zu beachten, dass eine umsatzsteuerliche Mehrbelastung, die sich aus der Umstellung im Zuge der Währungsreform zum 1.7.1990 ergab, nicht ausgleichsfähig ist.[1]

 

Rz. 31

Keine Änderung der Belastung, die nach § 29 UStG auszugleichen ist, stellt die Änderung der Steuerschuldnerschaft dar. Wird durch Gesetzesänderungen in § 13a UStG und § 13b UStG die Steuerschuld von dem leistenden Unternehmer auf den Leistungsempfänger übertragen (oder auch wieder umgekehrt), ändert sich nichts an der Gesamtbelastung mit USt (so z. B. bei dem zum 1.1.2021 eingeführten Übergang der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger bei der Ausführung von Telekommunikationsdienstleistungen[2] an Unternehmer, die selbst solche Leistungen ausführen). In diesem Fall hat sich die Steuerschuldnerschaft, nicht aber die Steuerschuld als solche geändert, sodass mangels Mehr- oder Minderbelastung mit USt keine Anspruchsgrundlage nach § 29 UStG besteht.

[1] BGH v. 24.3.1994, VII ZR 159/92, DB 1994, 2021.
[2] § 13b Abs. 2 Nr. 12 i. V. m. Abs. 5 S. 6 UStG in der seit dem 1.1.2021 geltenden Fassung.

3.2.1 Änderungen bei der Steuerbarkeit

 

Rz. 32

§ 29 Abs. 1 S. 1 UStG regelt, dass ein Ausgleich vorgenommen werden kann, wenn "ein anderer Steuersatz anzuwenden ist, der Umsatz steuerpflichtig, steuerfrei oder nicht steuerbar wird". Die Regelung umfasst sowohl die Fälle, in denen ein bisher steuerbarer Umsatz nicht steuerbar wird, wie auch den Fall, in dem ein bisher nicht steuerbarer Umsatz durch Gesetzesänderung steuerbar und in Ermangelung einer Steuerbefreiung auch steuerpflichtig wird.

 

Rz. 33

Ein Wechsel bei der Steuerbarkeit einer Leistung kann sich sowohl durch eine Änderung bei der Bestimmung des Orts der Leistung als auch durch eine gesonderte gesetzliche Regelung über die Steuerbarkeit ergeben.

 

Rz. 34

Beispiele für die Erhöhung oder die Verminderung der Steuerbelastung durch Änderungen bei der Steuerbarkeit waren in der Vergangenheit:

  • Einführung der Beschränkung der Wirkung der Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 2 UStG auf Leistungen zwischen Unternehmensteilen im Inland zum 1.1.1987. Davor nicht steuerbare Innenumsätze zwischen einem im Inland belegenen Unternehmensteil des Organkreises und einem im Ausland belegenen Unternehmensteil wurden durch Einfügung der Beschränkung steuerbar. Voraussetzung für eine Mehrbelastung war allerdings, dass der Umsatz nicht einer Steuerbefreiung[1] unterlag.
  • Bei einer Geschäftsveräußerung im Ganzen oder einer Teilbetriebsveräußerung an einen anderen Unternehmer nach § 1 Abs. 1a UStG entfiel seit dem 1.1.1994 die Steuerbarkeit.
  • Eine Telekommunikationsleistung wurde durch Aufnahme der Leistung in den Katalog des § 3a Abs. 4 Nr. 12 UStG i. V. m. § 3a Abs. 3 S. 1 UStG a. F. seit dem 1.1.1997 an den Ort des die Leistung empfangenden Unternehmers im Inland verlegt und wurde somit im Inland steuerbar und in Ermangelung einer Befreiungsvorschrift auch steuerpflichtig. Gleiches galt für die seit dem 1.7.2003 erfolgte Aufnahme der Fernseh- und Rundfunkdienstleistungen und der elektronischen Dienstleistungen in § 3a Abs. 4 Nr. 13 und Nr. 14 UStG a. F.
  • Eine elektronische Dienstleistung, die ein im Drittlandsgebiet ansässiger Unternehmer an einen im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Nichtunternehmer ausführt, wurde seit dem 1.7.2003 nach § 3a Abs. 3a UStG a. F.[2] am Wohnsitz oder Sitz des Leistungsempfängers ausgeführt. Damit ergab sich in diesen Fällen die Steuerbarkeit der Umsätze im Gemeinschaftsgebiet.
  • Verlagerung des Orts der Lieferung von Gas (über das Leitungsnetz) und von Elektrizität sowie der damit im Zusammenhang ausgeführten Dienstleistungen durch die Energielieferungsrichtlinie der Gemeinschaft in § 3g UStG und § 3a Abs. 4 Nr. 15 UStG zum 1.1.2005. Nach diesen Vorschriften werden solche Leistungen im Wesentlichen dort ausgeführt, wo der Leistungsempfänger ansässig ist oder – bei nichtunternehmeris...

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