Rz. 76

Um eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit im Umsatzsteuerrecht auszuführen, muss diese Tätigkeit nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht ausgeführt werden (§ 2 Abs. 1 S. 3 UStG). Der Begriff der Nachhaltigkeit ist dabei gesetzlich nicht weiter definiert worden und unterliegt somit der Auslegung in der Literatur und insbesondere in der Rechtsprechung. Ziel des Kriteriums "Nachhaltigkeit" muss es sein, die Abgrenzung zwischen nichtunternehmerischem Handeln zum unternehmerischen Handeln zu ermöglichen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass einerseits schon die Ausführung weniger Umsätze (sogar bei nur einmaligem Umsatz oder auch bei gar keinem Umsatz) die Unternehmereigenschaft begründen muss, andererseits aber – insbesondere bei Geschäften, die der privaten Sphäre (Hobbytätigkeit) zuzuordnen sind – auch bei mehrfachen Umsätzen die Unternehmereigenschaft nicht zwingende Folge dieser Tätigkeit sein darf.

 

Rz. 77

Darüber hinaus muss die Nachhaltigkeit sich auch auf eine wirtschaftliche Tätigkeit richten. Nachhaltiges – andauerndes – Verhalten kann dann nicht zu einer unternehmerischen Betätigung führen, wenn es nicht auf eine wirtschaftliche Tätigkeit gerichtet ist. Insoweit besteht ein systematischer Zusammenhang mit der Absicht, Einnahmen zu erzielen. Eine Tätigkeit muss nicht nur als solche nachhaltig ausgeführt werden, es muss sich auch um eine Tätigkeit handeln, die nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen ausgeführt wird.

3.2.1 Auslegungskriterien zur Nachhaltigkeit im nationalen Recht

 

Rz. 78

Während die frühere Rechtsprechung[1] eher von quantitativen Aspekten bei der Prüfung der Nachhaltigkeit ausging, wird in der aktuellen Rechtsprechung vermehrt auf qualitative Kriterien für die Nachhaltigkeit Bezug genommen. Unter Berücksichtigung quantitativer Aspekte ergab sich eine nachhaltige Tätigkeit

  • bei Vornahme mehrerer gleichartiger Handlungen,
  • bei Vornahme einmaliger Handlungen, wenn diese entweder mit Wiederholungsabsicht ausgeführt werden oder zu einem andauernden Leistungsverhältnis (z. B. Dauerschuldverhältnis bei Vermietung) führen.
 

Rz. 79

Unter Berücksichtigung auch qualitativer Gesichtspunkte kommt es bei der Beurteilung der Nachhaltigkeit einer Tätigkeit auf das Gesamtbild der Verhältnisse an.[2] Für die Frage, ob jemand nachhaltig tätig war, kommt der tatsächlichen Würdigung der verschiedenen Kriterien, die je nach Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für oder gegen die Nachhaltigkeit sprechen können, durch die Tatsacheninstanz eine besondere Bedeutung zu. Der BFH hat dabei eine Anzahl von Kriterien herausgearbeitet, anhand derer durch Abwägen der für die Nachhaltigkeit und gegen die Nachhaltigkeit sprechenden Umstände eine Beurteilung stattfinden kann:[3]

  • mehrjährige Tätigkeit,
  • planmäßiges Handeln,
  • auf Wiederholung angelegte Tätigkeit,
  • die Ausführung mehr als nur eines Umsatzes,
  • Vornahme mehrerer gleichartiger Handlungen unter Ausnutzung derselben Gelegenheit oder desselben dauernden Verhältnisses,
  • langfristige Duldung eines Eingriffs in den eigenen Rechtskreis,
  • Intensität des Tätigwerdens,
  • Beteiligung am Markt,
  • Auftreten wie ein Händler,
  • Unterhalten eines Geschäftslokals,
  • Auftreten nach außen, z. B. gegenüber Behörden.
 

Rz. 80

Diese Kriterien können allerdings nur eine grobe Abgrenzung der nachhaltigen Tätigkeit ermöglichen. Wäger[4] stellt zu Recht fest, dass die einzelnen Tatsachen als solche wenig aussagefähig sind und teilweise auch gleichsam für wie gegen die Unternehmereigenschaft sprechen können.

 

Rz. 81

Eine Beurteilung der Nachhaltigkeit der Tätigkeit kann nur anhand der Umsätze im Grundgeschäft erfolgen. Grundgeschäft ist dabei die Haupttätigkeit, die zur Erreichung des eigentlichen Unternehmenszwecks ausgeübt wird oder ausgeübt werden soll. Hilfsgeschäfte oder Nebengeschäfte können die Nachhaltigkeit der Betätigung nicht begründen (Rz. 326).

 

Rz. 82

Unterschiedliche Betätigungsfelder eines Unternehmers werden nach § 2 Abs. 1 S. 2 UStG grundsätzlich zu einem Unternehmen im Umsatzsteuerrecht zusammengeführt (ausführlich Rz. 258ff.). Damit aber solche unterschiedlichen Unternehmensbereiche zu einem einheitlichen Unternehmen zusammengeführt werden können, muss für jeden Unternehmensteil separat geprüft werden, ob die Voraussetzungen unternehmerischer Betätigung – hier insbesondere die Erfüllung der Nachhaltigkeit – in jedem Unternehmensteil vorliegen.

 

Beispiel: Separate Prüfung in unterschiedlichen Unternehmensteilen

Handwerksmeister H plant, ein Mietwohnhaus zu erwerben. Zur Feststellung, ob ein einheitliches Unternehmen vorliegt, muss geprüft werden, ob sowohl die Tätigkeit als Handwerksmeister als auch die Tätigkeit als Vermieter separat zu einer nachhaltigen Tätigkeit führt. Da dies gegeben ist, hat H ein einheitliches Unternehmen, welches den Bereich "Handwerk" und den Bereich "Vermietung" umfasst.

Gemüsehändler G baut sich eine umfangreiche Briefmarkensammlung auf, in deren Folge er auch Briefmarken veräußert und tauscht. Es muss geprüft werden, ob die Tätigkeit als Briefmarkensammler zu einer nachhaltigen Tätigkeit führt. Da dies nach der R...

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