4.2.1 Verbringen eines Gegenstands aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in das Inland

 

Rz. 37

Der Verbringenstatbestand setzt folgende Merkmale voraus:

  • Es muss sich um die Bewegung eines Gegenstands handeln.
  • Der Gegenstand muss aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in das Inland gelangen.
  • Die Bewegung des Gegenstands (das Verbringen) muss durch die Streitkräfte oder in deren Auftrag durch Dritte erfolgen.
  • Der Gegenstand muss im übrigen Gemeinschaftsgebiet bereits in der Verfügungsgewalt der deutschen Streitkräfte gewesen sein.

Das übrige Gemeinschaftsgebiet umfasst die Gebiete der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die nach dem Unionsrecht als Inland dieser Mitgliedstaaten gelten[1].

[1] Vgl. § 1 Abs. 2 a S. 1 UStG; vgl. zum Begriff des Verbringens auch Rondorf, DStR 1993, 969 und Gast, UVR 1994, 33.

4.2.2 Verbringen durch die deutschen Streitkräfte

 

Rz. 38

Die Vorschrift setzt das Verbringen eines Gegenstands durch die deutschen Streitkräfte oder in deren Auftrag durch Dritte voraus. Zum Begriff der Streitkräfte vgl. Rz. 29. Zu den Streitkräften i. S. der Vorschrift gehören nicht einzelne Mitglieder der Streitkräfte (einzelne Soldaten) bzw. das zivile Begleitpersonal. Soweit diese Personen einen Gegenstand aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in das Inland verbringen, findet die Vorschrift des § 1c Abs. 2 UStG keine Anwendung, wohl aber, wenn die Einzelpersonen im Auftrag der Streitkräfte handeln.

4.2.3 Gebrauch oder Verbrauch durch die Streitkräfte oder ihr ziviles Begleitpersonal

 

Rz. 39

Die Erwerbsbesteuerung nach § 1c Abs. 2 UStG findet nur Anwendung, wenn das Verbringen des Gegenstands durch die deutschen Streitkräfte zum Gebrauch oder Verbrauch der Streitkräfte oder ihres zivilen Begleitpersonals erfolgt. Der Gegenstand muss also im Inland ge- oder verbraucht werden. Somit erfasst die Vorschrift nicht die Fälle, bei denen der Gegenstand lediglich durch das Inland transportiert oder im Inland zwischengelagert wird und dann in einen Drittstaat oder in einen anderen Mitgliedstaat weiterbefördert wird.

 
Praxis-Beispiel

Eine in Belgien stationierte Bundeswehreinheit hat in Belgien Aufbauten für Lastkraftwagen erworben, die nach einer Zwischenbearbeitung in Deutschland in Italien verwendet werden sollen. Zum Zweck der Bearbeitung werden die Aufbauten nach Deutschland verbracht.

Das Verbringen der Aufbauten in das Inland löst keinen Erwerbstatbestand i. S. d. § 1c Abs. 2 UStG aus.

 

Rz. 40

Unerheblich ist, wie lange sich der Gegenstand zum Gebrauch oder Verbrauch im Inland befindet. Wird der Gegenstand nur kurze Zeit im Inland ge- oder verbraucht, findet dennoch eine Erwerbsbesteuerung nach § 1c Abs. 2 UStG statt. Die Vorschrift bezieht sich zwar auf § 1a Abs. 2 UStG, in dem das Verbringen zu einer nur vorübergehenden Verwendung nicht den Tatbestand des innergemeinschaftlichen Erwerbs erfüllt. Diese Ausnahme ist jedoch in § 1c Abs. 2 UStG nicht ausdrücklich geregelt, sodass es auf die Zeitdauer der Verwendung eines Gegenstands im Inland nicht ankommt. Auch Art. 22 MwStSystRL schließt die Erwerbsfiktion für den Fall einer nur vorübergehenden Verwendung – anders als Art. 17 Abs. 2 Buchst. b MwStSystRL – nicht aus.

4.2.4 Unbesteuerter Erwerb/unbesteuerte Einfuhr im übrigen Gemeinschaftsgebiet

 

Rz. 41

§ 1c Abs. 2 UStG verfolgt den Zweck, einen unversteuerten Letztverbrauch zu verhindern und setzt deshalb voraus, dass der Gegenstand im Zeitpunkt des Erwerbs in einem anderen Mitgliedstaat nicht der Besteuerung unterlegen hat. Voraussetzung ist also, dass die Lieferung der Gegenstände im übrigen Gemeinschaftsgebiet in Anwendung von Art. 151 Abs. 1 Buchst. c und d MwStSystRL[1] steuerfrei gewesen ist. Der Tatbestand der Nichtbesteuerung des Gegenstands im übrigen Gemeinschaftsgebiet ist auch erfüllt, wenn die Lieferung des Gegenstands zunächst besteuert worden ist, die Steuer jedoch in Anwendung von Art. 151 Abs. 2 MwStSystRL nachträglich erstattet worden ist. Insofern spricht das Gesetz in § 1c Abs. 2 UStG zutreffend davon, dass der Gegenstand "nicht der Besteuerung unterlegen" hat.

 

Rz. 42

Die Erwerbsbesteuerung nach § 1c Abs. 2 UStG greift auch dann, wenn der ins Inland verbrachte Gegenstand bei seiner Einfuhr durch die deutschen Streitkräfte nicht der Besteuerung unterlegen hat. Hierbei kann es sich nur um Einfuhren in das übrige Gemeinschaftsgebiet, konkreter um Einfuhren in einen anderen Mitgliedstaat, und nicht um Einfuhren ins Inland handeln. Denn nach Art. 143 Buchst. h MwStSystRL kann bei einer Einfuhr durch deutsche NATO-Streitkräfte nur die Einfuhr in einen anderen Mitgliedstaat, nicht aber die Einfuhr ins Inland steuerfrei sein. Eine Einfuhr hat auch dann keiner Besteuerung unterlegen, wenn die Steuer nachträglich erstattet worden ist. Die Gleichstellung einer unbesteuerten Einfuhr mit einem unbesteuerten Erwerb in einem anderen Mitgliedstaat – wie in § 1c Abs. 2 UStG im Gegensatz zu Art. 22 MwStSystRL ausdrücklich vorgesehen – ist im Übrigen systemgerecht und trägt dem Grundgedanken der Vorschrift Rechnung, einen unbelasteten Letztverbrauch im Inland zu vermeiden.

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