Rz. 96

Die EU-Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die Vorgaben des Unionsrechts hinsichtlich der Höhe und der Anwendung der MwSt-Sätze zu beachten. Diese Vorgaben ergeben sich aus Art. 96 bis 129 MwStSystRL und des Anhangs III der MwStSystRL i. d. F. ab 1.6.2009. Die dort aufgeführten Regelungen galten bis 5.4.2022. MWv 6.4.2022 sind die Regelungen der Art. 96 bis 129 MwStSystRL und des Anhangs III i. d. F. der EU-Richtlinie v. 5.4.2022[1] für die EU-Mitgliedstaaten maßgebend. Die EU-Mitgliedstaaten haben jedoch Zeit bis zum 31.12.2024 die Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen und zu veröffentlichen, die erforderlich sind, um den neuen Regeln zu entsprechen, die ab dem 1.1.2025 gelten sollen (vgl. im Einzelnen Rz. 91 und Rz. 106i ff.).

 

Rz. 97

Nach den bis 5.4.2022 geltenden Regelungen mussten die EU-Mitgliedstaaten nach Art. 97 Abs. 1 MwStSystRL einen allgemeinen Steuersatz (Normalsteuersatz) von mindestens 15 % anwenden. Dieser Mindestsatz war vorläufig nur für die Zeit bis 31.12.2010 festgeschrieben. Für die Zeit danach musste der Rat erneut über die Höhe des allgemeinen Steuersatzes entscheiden. Dementsprechend hat die EU-Kommission dem Rat am 24.6.2010 den "Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in Bezug auf die Dauer der Verpflichtung, einen Mindestnormalsatz einzuhalten" vorgelegt. Die Kommission schlug darin vor, den zum 31.12.2010 auslaufenden Mindestsatz für den Normalsatz bis zum 31.12.2015 fortzuschreiben. Dem hat der Rat mit der Richtlinie 2010/88/EU v. 7.12.2010[2] Rechnung getragen, sodass die Mitgliedstaaten den Mindestnormalsatz von 15 % bis zum 31.12.2015 zu beachten hatten. Der Rat hat bei der Verabschiedung der Änderungsrichtlinie – wie bereits bei zurückliegenden Verlängerungen des Mindestsatzes für den MwSt-Normalsatz – eine Protokollerklärung abgegeben. Hierin verpflichteten sich die EU-Mitgliedstaaten in der Zeit v. 1.1.2011 bis 31.12.2015 nach Kräften darauf hinzuwirken, dass die Marge von 10 Prozentpunkten des von den EU-Mitgliedstaaten seinerzeit angewandten niedrigsten Normalsatzes nicht ausgeweitet wird. Dies bedeutete, dass die EU-Mitgliedstaaten einen Normalsatz von 25 % (niedrigster Normalsatz 15 % zuzüglich 10 Prozentpunkte) möglichst nicht überschreiten sollten. Gleichwohl wendet Ungarn schon seit Jahren einen Normalsatz von 27 % an (Rz. 114). MWv 1.1.2016 ist durch die Richtlinie (EU) 2016/856 v. 25.5.2016[3] die Anwendung des Mindestnormalsatzes von 15 % bis 31.12.2017 verlängert worden (Rz. 29, Rz. 91). Bei einem Mindeststeuersatz beim Normalsatz von 15 % soll es nach den Vorstellungen der EU-Kommission über den 31.12.2017 hinaus bleiben. Die EU-Kommission hat nämlich am 19.12.2017 vorgeschlagen, den Mindestnormalsatz von 15 % auch in einem endgültigen MwSt-System, das auf dem Prinzip der Besteuerung im Bestimmungsland beruht (Rz. 106f), beizubehalten und ihn dauerhaft zu machen.[4] Nach diesem Richtlinien-Vorschlag sollte Art. 97 MwStSystRL (unbefristet) wie folgt gefasst werden: "Der Normalsatz muss mindestens 15 % betragen." Die Neuregelung sollte rückwirkend ab 1.1.2018 gelten. Auch in ihren – allerdings gescheiterten – Vorschlägen v. 18.1.2018 für neue Rechtsvorschriften, um den EU-Mitgliedstaaten mehr Flexibilität bei der Festlegung der MwSt-Sätze einzuräumen (Rz. 106f ff.), geht die EU-Kommission von einem Mindestsatz beim Normalsatz von 15 % aus (Rz. 106g). Da aber der Zeitpunkt der Einführung eines endgültigen MwSt-Systems nach dem Bestimmungslandprinzip nicht abzusehen ist, hat der Rat am 22.6.2018 einer weiteren Verlängerung des Mindestnormalsatzes von 15 % zugestimmt. Allerdings ist danach der Mindestnormalsatz von 15 % erstmals unbefristet anwendbar (Rz. 29, Rz. 91).[5]

 

Rz. 98

Nach den bis 5.4.2022 maßgebenden Regelungen durften die EU-Mitgliedstaaten nach Art. 98 MwStSystRL außerdem maximal zwei ermäßigte Steuersätze anwenden, wobei der einzelne Steuersatz mindestens 5 % betragen musste. Eine zeitliche Beschränkung – wie beim allgemeinen Steuersatz lange Zeit vorgeschrieben – besteht für die ermäßigten Steuersätze nicht. Der ermäßigte Steuersatz (oder ggf. die beiden ermäßigten Steuersätze) durfte nur auf die in Anhang III der Richtlinie abschließend bezeichneten Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen angewendet werden. Die Bundesrepublik Deutschland wendet seit Einführung der MwSt im Jahr 1968 bis zum 31.12.2022 nur einen ermäßigten Steuersatz an und macht dabei längst nicht von allen nach dem Unionsrecht zulässigen Ermäßigungsmöglichkeiten Gebrauch (Rz. 113). MWv 1.1.2023 hat Deutschland allerdings zusätzlich einen sog. Nullsteuersatz für die Lieferung und Installation von Fotovoltaikanlagen und deren Komponenten eingeführt (Rz. 67f, § 12 Abs. 3 UStG Rz. 1ff).

 

Rz. 99

Die Beschränkungen hinsichtlich des ermäßigten Steuersatzes wurden durch eine Vielzahl von Übergangsregelungen nach Art. 109ff. MwStSystRL durchbrochen, wonach einzelne Mitgliedstaaten unter gewis...

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