1 Erörterung, § 93 Abs. 1 FGO

 

Rz. 1

Der Vorsitzende hat den der Streitsache zugrunde liegenden Sachverhalt und die durch sie aufgeworfenen Rechtsprobleme mit den Beteiligten zu erörtern.[1]  Das bedeutet keinen Monolog des Vorsitzenden, sondern ein Gespräch mit den Beteiligten. Grundsätzlich beginnt der Kläger mit seinem Vortrag, es folgen der Beklagte, dann der Beigeladene und schließlich die beigetretene Behörde.[2] Von dieser Reihenfolge kann abgewichen werden, wenn der Vorsitzende es für sachdienlich hält. Der Vortrag soll grundsätzlich in freier Rede gehalten werden.[3]

 

Rz. 2

Nach Auffassung der Rspr. ist das Gericht weder zu einem Rechtsgespräch noch zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung verpflichtet. Es muss nicht die maßgebenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte mit den Beteiligten umfassend und im Einzelnen erörtern oder ihnen die einzelnen für die Entscheidung erheblichen Gesichtspunkte, Schlussfolgerungen oder das Ergebnis einer Gesamtwürdigung im Voraus andeuten oder mitteilen. Es reicht auch aus, wenn das Gericht seine auf der höchstrichterlichen Rechtsprechung beruhende Rechtsansicht darlegt. Eines schriftlichen Hinweises im Vorfeld der mündlichen Verhandlung bedarf es nicht.[4] Die Beteiligten tragen eine gewisse Eigenverantwortung, die ihnen das Gericht nicht abzunehmen braucht. Ein Beteiligter muss gerade bei umstrittener Sach- und Rechtslage grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einrichten.[5]  Auch müssen sich die Beteiligten darauf einstellen, dass im Anschluss an die mündliche Verhandlung eine Entscheidung verkündet wird. Die Beteiligten müssen daher sämtliche Angriffs- und Verteidigungsmittel – i. d. R. spätestens – in diesem Termin geltend machen und sämtliche Beweise antreten.[6]  M. E. ist es jedoch der Sache dienlich, grundsätzlich den entscheidungserheblichen und ggf. noch aufzuklärenden Sachverhalt gemeinsam herauszuarbeiten. Alsdann wäre ein Rechtsgespräch zu führen, in dem die Beteiligten erkennen können, auf welche Tatsachen es für die Entscheidung ankommt, sodass sie ihren Sachvortrag entsprechend ergänzen können.[7]  Hier sind auch ggf. umfangreichere Anmerkungen der Beteiligten zum Sachbericht des Berichterstatters abzuhandeln.

 

Rz. 3

Die Erörterung dient dem Amtsermittlungsgrundsatz. Das Gericht muss sicherstellen, dass die Beteiligten keine wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte übersehen. Daraus folgt zwar nicht die Pflicht des Vorsitzenden zu einer umfassenden und abschließenden Prüfung sämtlicher infrage kommender Möglichkeiten und einer Andeutung der zu erwartenden Entscheidung, was aber auch nicht unzulässig ist. Erörtert werden muss nur das zur Entscheidung Erforderliche; die Entscheidung selbst muss aufgrund der in der mündlichen Verhandlung und damit auch in der Erörterung erlangten Erkenntnisse in der geheimen Beratung gefunden werden. Vermieden werden müssen aber Überraschungsentscheidungen. Das Urteil darf also nicht auf nicht erörterte tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte gestützt werden. Dabei genügt es zur Wahrung rechtlichen Gehörs jedoch, wenn rechtliche Gesichtspunkte auch nur am Rand erörtert werden.[8]  Es obliegt dabei auch den Beteiligten, sich in der mündlichen Verhandlung zu ihrer Auffassung nach nicht ausreichend erörterten Gesichtspunkten zu äußern.[9]  Wenn das Gericht seine schon zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung ändert und zunächst für erheblich gehaltene Beweise nicht erheben, sondern durchentscheiden will, sind die Beteiligten darauf vorher hinzuweisen.[10] Ergibt die Beratung ein solches Ergebnis, ist die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen und den Beteiligten die Gelegenheit zu geben, sich zu dem neuen Gesichtspunkt zu äußern.

 

Rz. 4

Abschließend und nicht schon bei Stellung der Anträge nach dem Sachbericht erhalten die Beteiligten Gelegenheit, den Sachverhalt aus ihrer Sicht noch einmal zusammenfassend darzustellen und ihre Anträge unter Berücksichtigung der in der Erörterung mit dem Gericht angesprochenen Rechtsfragen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme zu begründen. Dabei können sie sich auf ihren schriftsätzlichen Vortrag und das in der Erörterung mit dem Gericht Ausgeführte beziehen, um Wiederholungen zu vermeiden. Das Wort erhält zunächst der Kläger, dann der Beklagte und schließlich die Beigeladenen bzw. die beigetretene Behörde. Die Beteiligten können auf den jeweiligen Vortrag erwidern. Die Beteiligten können auf ihren Vortrag auch verzichten, wenn sie meinen, alles Wesentliche sei in der Verhandlung bereits angesprochen worden.

 

Rz. 5

Die Erörterung der Sach- und Rechtslage ist gem. § 94 FGO i. V. m. § 160 Abs. 2 ZPO zu protokollieren. Der konkrete Inhalt und Umfang der tatsächlichen Erörterung des Sach- und Streitstands mit den Beteiligten gehören allerdings nicht zu den wesentlichen, in die Niederschrift aufzunehmenden Vorgängen der Verhandlung.[11] Gleichwohl kann es sich empfehlen, etwas ausführlicher zu protokollieren, auch damit da...

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