Rz. 20

§ 86 Abs. 2 S. 2 FGO ist durch Art. 15 des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens[1] eingefügt worden. Danach ist § 86 Abs. 2 S. 1 FGO, also die Möglichkeit der obersten Aufsichtsbehörde, die Aktenvorlage oder Auskunftserteilung zu verweigern, ab 1.1.2017 auf die Fälle des § 88 Abs. 3 S. 3 AO n. F., § 88 Abs. 5 S. 4 AO n. F. und § 156 Abs. 2 S. 3 AO n. F. entsprechend anzuwenden. Der Gesetzgeber hat damit die rechtsstaatlich gebotene Möglichkeit geschaffen, die Verweigerung der Veröffentlichung bestimmter Weisungen oder die Verweigerung der Veröffentlichung von Einzelheiten der Risikomanagementsysteme gerichtlich überprüfen zu lassen.

 

Rz. 21

Die gerichtliche Überprüfung hat nach § 86 Abs. 2 S. 2 FGO einen bestimmten Anwendungsbereich. Dies betrifft die Weisungen nach § 88 Abs. 3 S. 1 AO, die zur Bearbeitung bestimmter oder bestimmbarer Fallgruppen vorgesehen sind und bei denen allgemeine Erfahrungen der Finanzbehörden sowie Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit berücksichtigt werden können. Ferner sind hiervon Einzelheiten der Risikomanagementsysteme[2] umfasst, bei denen auch der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung berücksichtigt werden soll. Schließlich gehören hierzu bundeseinheitliche Weisungen für bestimmte oder bestimmbare Fallgruppen, wenn von einer Steuerfestsetzung auch über einen Betrag von 25 EUR hinausgehend abgesehen werden soll, wenn die Kosten der Festsetzung und die Kosten der Erhebung außer Verhältnis zu dem Betrag stehen werden.[3]

 

Rz. 22

Gerichtlich zu überprüfen ist die Weigerung der Veröffentlichung stets daran, ob die Veröffentlichung der Weisungen oder der Einzelheiten der Risikomanagementsysteme die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung gefährden könnte. Stpfl. sollen nicht ihr Erklärungsverhalten danach ausrichten können.[4] Der BFH hat in dem In-camera-Verfahren die von der Verwaltung geltend gemachte Gefährdung anhand des Maßstabs der Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung vollumfänglich zu prüfen.

 

Rz. 23

Die gerichtliche Überprüfung betrifft schon die Frage, ob die Fallgruppen überhaupt bestimmt oder bestimmbar sind, für die die Weisungen gem. § 88 Abs. 3 S. 1 FGO bzw. § 156 Abs. 2 S. 2 AO erteilt wurden.

 

Rz. 24

Für die Weisungen nach § 88 Abs. 3 FGO ist gerichtlich auch überprüfbar, ob allgemeine Erfahrungen der Finanzbehörden vorliegen, die den Weisungen zugrunde gelegt werden konnten und ob nach Auffassung des BFH die Begriffe "Wirtschaftlichkeit" und "Zweckmäßigkeit" von der Verwaltung rechtmäßig berücksichtigt wurden. Der BFH ist an die Auffassung der Verwaltung nicht gebunden. Insbesondere kann der BFH die Frage klären, ob die Begriffe "Wirtschaftlichkeit" und "Zweckmäßigkeit" durch das Gesetz dem gleichen Rang zugeordnet sind wie die Begriffe "Gleichmäßigkeit", "Gesetzmäßigkeit" und "Verhältnismäßigkeit" oder – wie es der Wortlaut der in Bezug genommenen Vorschriften nahelegt – ob die Begriffe "Wirtschaftlichkeit" und "Zweckmäßigkeit" als Rechtfertigungsgründe für ein Abweichen von dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung anzusehen sind. Legt man letztere Auffassung zugrunde, könnte der BFH ggf. ein weiträumiges Verständnis dieser Begriffe annehmen, ähnlich der Prüfung eines sachlichen Grundes bei der Auswahl eines Steuergegenstandes. Der BFH könnte aber auch die Begriffe "Wirtschaftlichkeit" und "Zweckmäßigkeit" einer Verhältnismäßigkeitsprüfung unterziehen. Legt man die erstgenannte Auffassung zugrunde, könnte der BFH ggf. die Begriffe "Wirtschaftlichkeit" und "Verhältnismäßigkeit" als unbestimmte Rechtsbegriffe selbstständig für den jeweiligen Einzelfall konkret bestimmen. Entsprechendes gilt für den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit, der bei dem Einsatz von Risikomanagementsystemen nach § 88 Abs. 5 AO berücksichtigt werden soll. Jedenfalls rechtsstaatlich kritisch ist zu sehen, wenn der Begriff der Wirtschaftlichkeit allgemein als Verhältnis von Ermittlungsaufwand zum steuerlichen (Mehr-)Ergebnis verstanden wird, da dies nicht dem Maßstab der Gleichmäßigkeit der Besteuerung entspricht. Nach diesem Maßstab ist das "Entdeckungsrisiko" entscheidend.

 

Rz. 25

Ebenso prüft der BFH im Rahmen des § 156 Abs. 2 AO vollumfänglich, ob die Kosten der Festsetzung und die Kosten der Erhebung außer Verhältnis zu dem Betrag stehen und eine Veröffentlichung der Weisungen die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung gefährden könnte.

 

Rz. 26

Im Rahmen der Prüfung des BFH wird zu entscheiden sein, ob angesichts der maschinellen Verarbeitung für die Stpfl. ein "angemessenes Entdeckungsrisiko" aufgrund der Weisungen der obersten Finanzbehörden bzw. aufgrund der Risikomanagementsysteme besteht und damit die Besteuerungspraxis im Großen und Ganzen auf eine Gleichheit im Belastungserfolg angelegt ist.[5] Würde die Veröffentlichung dies gefährden, wäre die Verweigerung der Auskunftserteilung rechtmäßig. Der Beschluss des BFH darf dann in den Entscheidungsgründen Art und Inhalt der nicht zu veröffentlich...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge