Rz. 7

Im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes des Einzelnen gegen Maßnahmen der öffentlichen Gewalt[1] ist es bei Vorlagepflicht der den Streitfall betreffenden Akten an das Gericht durch den Beklagten[2], bei Amtsermittlungspflicht des Gerichts[3] und bei Aktenvorlagepflicht sämtlicher Behörden und Gerichte[4] Ausdruck des Anspruchs auf rechtliches Gehör bei Gericht[5], dass die Beteiligten die Gerichts- und die dem Gericht vorliegenden Akten einsehen können.[6] Denn das Gericht darf sein Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützen, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.[7] Warum im Bereich der Finanzbehörden für das Verwaltungsverfahren und insbesondere für das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren etwas anderes gilt, ist nur aus praktischen Erwägungen nachvollziehbar. Die Arbeit der Finanzverwaltung, die ein Massenverfahren ist, könnte nachhaltig verzögert werden, wenn es dort ein Akteneinsichtsrecht gäbe. Wegen des Steuergeheimnisses würde es einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern, die § 30 AO betreffenden Aktenteile vor Einsichtnahme auszusondern. Diesen praktischen Schwierigkeiten unterliegt das gerichtliche Verfahren hingegen nicht in gleichem Maße.

 

Rz. 8

Das Gericht muss die Beteiligten nicht ausdrücklich auf ihr Akteneinsichtsrecht hinweisen.[8] Die Beteiligten sind gehalten, selbst die prozessualen Möglichkeiten zu nutzen[9] und haben sich danach selbst um die Akteneinsicht zu bemühen.[10] Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist auch nur dann verletzt, wenn die Akteneinsicht zu Unrecht verweigert worden ist.[11] Allerdings muss den Beteiligten, damit sie ihren Anspruch auf rechtliches Gehör ausreichend wahrnehmen können, spätestens in der mündlichen Verhandlung Mitteilung gemacht werden, wenn der Beklagte über die nach § 71 Abs. 2 FGO zwingend vorzulegenden Akten hinaus weitere Akten vorgelegt hat oder wenn das Gericht weitere Akten vom Beklagten oder anderen Behörden oder Gerichten angefordert hat, mithin also über alle Akten, die dem Gericht vorliegen.[12] Zu den nach § 71 Abs. 2 FGO zu übermittelnden Akten können auch Akten gehören, die nicht unmittelbar die Steuerart und den Veranlagungszeitraum des mit der Klage angefochtenen Verwaltungsakts betreffen.[13]

 

Rz. 9

Vom Akteneinsichtsrecht sollte reichlich Gebrauch gemacht werden, da die meisten Prozesse über den Tatbestand und nicht über Rechtsmeinungen gewonnen werden.[14] Auch scheidet die spätere Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus, weil das Gericht seine Entscheidung auf Akteninhalte gestützt habe, zu dem der Kläger sich nicht habe äußern können, wenn eine mögliche Akteneinsicht nicht wahrgenommen wurde.[15] Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das Rügerecht verloren gehen kann, da die Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht zu den verzichtbaren Verfahrensmängeln gehört.[16]

 

Rz. 10

Wird ein Antrag auf Akteneinsicht zu Unrecht abgelehnt, obwohl das Urteil auf dem Inhalt der vorliegenden Akten beruht, ist ein absoluter Revisionsgrund gegeben.[17]

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