2.3.1 Verletzung der Amtsermittlungspflicht

 

Rz. 51

Aufklärungsmaßnahmen muss das Gericht nur ergreifen, wenn ein Anlass dazu besteht, der sich aus den beigezogenen Akten, dem Beteiligtenvorbringen oder sonstigen Umständen ergeben kann.[1] Lässt das Gericht Tatsachen oder Beweismittel außer Acht, deren Ermittlungen sich ihm hätten aufdrängen müssen, so verletzt es seine Sachaufklärungspflicht.[2] Die Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das Gericht ist nur im Rahmen der Rechtsmittel gegen die Endentscheidung geltend zu machen und stellt einen Verfahrensmangel i. S. v. § 118 Abs. 3 FGO dar.

 

Rz. 52

Die Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das Gericht muss von den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem FG gerügt werden. Durch rügeloses Verhandeln[3] zur Sache kann jedenfalls bei rechtskundig vertretenen Stpfl.[4] die Verletzung der Sachaufklärungspflicht nicht mehr geltend gemacht werden. Es handelt sich um einen verzichtbaren Verfahrensmangel.[5] Es ist darauf zu achten, dass ein etwa übergangener Beweisantrag/Beweisbeschluss protokolliert bzw. der Beschluss des Gerichts, von der Protokollierung abzusehen, ins Protokoll aufgenommen wird, notfalls im Weg der nachträglichen Protokollberichtigung nach § 94 FGO i. V. m. § 164 ZPO.[6] Das bloße Fernbleiben in der mündlichen Verhandlung kann allerdings nicht als Verzicht auf eine beantragte Beweiserhebung gewertet werden.[7]

 

Rz. 53

Wird vorgetragen, das Gericht habe gegen seine Verpflichtung zur Sachverhaltsermittlung verstoßen, erfordert dies die Darlegung, zu welchen konkreten Tatsachen weitere Ermittlungen geboten waren, welche Beweise zu welchem Beweisthema das Gericht hätte erheben müssen, wo Tatsachen vorgetragen waren, aus denen sich dem Gericht die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen auch ohne einen entsprechenden Beweisantrag hätte aufdrängen müssen, welches Ergebnis die zusätzliche Erhebung von Beweisen aller Voraussicht nach gehabt hätte und inwieweit die unterlassene Beweiserhebung oder Ermittlungsmaßnahme zu einer anderen Entscheidung des Gerichts hätte führen können.[8]

 

Rz. 54

Im Revisionsverfahren sind Zulässigkeit und Begründetheit der Rüge mangelnder Sachaufklärung im Einzelnen zu prüfen. Kommt es zu einer Zurückverweisung an das FG wegen unzureichender Sachaufklärung, so kann auch bei unterlassener beantragter Zeugenvernehmung regelmäßig nicht nach § 155 FGO i. V. m. § 563 Abs. 1 ZPO an einen anderen Senat des FG zurückverwiesen werden.[9]

2.3.2 Verletzung der Mitwirkungspflicht

 

Rz. 55

Zumutbarer Inhalt und Intensität der richterlichen Ermittlung stehen im Zusammenhang mit dem Vorbringen der Beteiligten. Je intensiver sich die Mitwirkung der Beteiligten gestaltet, umso stärker ist das FG gehalten, deren Vorbringen zu untersuchen. Je weniger die Beteiligten andererseits ihrer Mitwirkungspflicht nachkommen, umso weniger Möglichkeiten zur Sachverhaltsaufklärung hat i. d. R. auch das Gericht, sodass sich die Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung mindert. Die Pflicht des Gerichts zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen wird so durch die Mitwirkungspflicht der Beteiligten begrenzt.[1] Das Gericht ist nicht verpflichtet, jede nur denkbare Sachverhaltskonstellation zu erforschen, wenn die Beteiligten oder der Akteninhalt keine Anhaltspunkte in diese Richtung geben.[2] Es hat die Beteiligten zwar aufzufordern, alles ihnen wesentlich Erscheinende vorzutragen. Kommen die Beteiligten dieser Aufforderung jedoch nicht nach, so endet auch die Ermittlungspflicht des Gerichts.[3]

 

Rz. 56

Verletzen die Beteiligten ihre Mitwirkungspflichten zur Ermittlung des Sachverhalts, so hat das Gericht daraus im Rahmen der Beweiswürdigung seine Schlüsse zu ziehen.[4] Das Gericht muss aber zunächst von sich aus die vorgelegten Akten auswerten.[5]

 

Rz. 57

Zunächst hat das FG eine Reduzierung des Beweismaßes zu erwägen, wenn die gerichtlichen Versuche zur Sachaufklärung erfolglos bleiben, weil ein Beteiligter, der über eine besondere Beweisnähe verfügt, die ihm zumutbare Mitwirkung an der Sachaufklärung[6] verweigert. In einem solchen Fall ist zu überlegen, ob das im konkreten Einzelfall für die richterliche Überzeugungsbildung erforderliche, aber auch ausreichende Beweismaß gegenüber dem Regelbeweismaß zu reduzieren ist. Das Beweismaß kann sich dann auf eine "größtmögliche Wahrscheinlichkeit" verringern.[7]

 

Rz. 58

Erst wenn nicht mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit auf das Vorliegen einer Tatsache geschlosse...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge