4.1 Grundsatz der Kollegialentscheidung (§ 5 Abs. 3 S. 1 FGO)

 

Rz. 6

Die Senate entscheiden grundsätzlich in der Besetzung von drei Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern[1], was Ausdruck des Kollegialprinzips ist. Gehören dem Senat Richter auf Probe oder kraft Auftrags an oder ist ein Richter an den Senat abgeordnet, ist dies im Geschäftsverteilungsplan kenntlich zu machen.[2] Bei einer gerichtlichen Entscheidung darf nur ein solcher Richter mitwirken.[3] Zur Überbesetzung von Senaten vgl. Pahlke, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 4 FGO Rz. 8.

 

Rz. 7

§ 5 Abs. 3 FGO behandelt, in welcher Besetzung das FG im konkreten Einzelfall entscheidet. Das Gesetz kennt als Entscheidungsträger beim FG den vollen Senat, den Einzelrichter[4], den Vorsitzenden und den Berichterstatter.[5] Im Grundsatz ist das FG als Kollegialgericht ausgestaltet[6], was auch bei der Übertragung auf den Einzelrichter nach § 6 FGO zu beachten ist.

 

Rz. 8

Die Entscheidung ist als Kollegialgericht zu treffen, soweit nicht ein Einzelrichter i. S. v. § 5 Abs. 3 S. 1 FGO entscheidet. Der Senat entscheidet nach seiner freien, aus dem Gegenstand des Verfahrens gewonnenen Überzeugung.[7] Deshalb können Hinweise des Berichterstatters für die spätere Entscheidung nicht bindend sein und die Prozesslage nicht ändern.[8]

Über die Akteneinsicht können – soweit nicht am FG gem. § 6 FGO der Einzelrichter oder bei der elektronischen Akteneinsicht der Vorsitzende nach § 78 Abs. 2 S. 5 Halbsatz 1 FGO oder der Berichterstatter nach Satz 6 der Vorschrift zuständig ist – nach § 5 Abs. 3 FGO nur von dem Senat getroffen werden. An der Entscheidung über die Ablehnung der Akteneinsicht wirken danach gem. § 5 Abs. 3 FGO drei Berufsrichter mit.[9]

 

Rz. 9

Einzelrichter i. S. v. § 5 Abs. 3 S. 1 FGO sind auch der Vorsitzende und der Berichterstatter nach § 79a Abs. 2 bis 4 FGO. Ein anderes Verständnis wäre sinnwidrig[10], zumal das Gesetz bei den Rechtsmitteln in § 115 FGO nur von Urteilen des FG spricht, worunter sowohl die des vollen Senats als auch die des Einzelrichters nach § 6 FGO und die des Vorsitzenden oder Berichterstatters nach § 79a Abs. 3 und 4 FGO zu verstehen sind, und das Gesetz bei der Beschwerde nur zwischen Entscheidungen des FG und des Vorsitzenden oder Berichterstatters[11] unterscheidet, obwohl auch Entscheidungen des Einzelrichters nach § 6 FGO gemeint sind. Das Gesetz kann auch sonst bestimmte Entscheidungen beispielsweise dem Vorsitzenden oder Berichterstatter zuweisen.[12]

[8] BFH v. 20.10.1981, VIII R 152/80, n. v.; BFH v. 8.6.2004, IV B 180/02, BFH/NV 2004, 1634.
[10] So auch Müller-Horn, in Gosch, AO/FGO, § 5 FGO Rz. 21, 34; Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 5 FGO Rz. 4; Sunder-Plassmann, in HHSp, AO/FGO, § 5 FGO Rz. 38.
[12] Z. B. § 79b FGO, § 155 FGO i. V. m. § 227 ZPO; Sunder-Plassmann, in HHSp, AO/FGO, § 5 FGO Rz. 37.

4.2 Erforderlichkeit der Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter, insbesondere keine Mitwirkung nach § 5 Abs. 3 S. 2 FGO

 

Rz. 10

Die ehrenamtlichen Richter[1] wirken grundsätzlich bei allen Urteilen mit, wobei es unerheblich ist, ob mit oder ohne mündliche Verhandlung[2] entschieden wird. Nur wenn der Einzelrichter i. S . von § 5 Abs. 3 S. 1 FGO entscheidet, sind die ehrenamtlichen Richter vom Urteilsverfahren ausgeschlossen.

 

Rz. 11

Bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung[3] und auch bei Gerichtsbescheiden, die als Urteil wirken[4], entscheidet das FG grundsätzlich mit drei Berufsrichtern. Die ehrenamtlichen Richter wirken hier gem. § 5 Abs. 3 S. 2 FGO nicht mit.

 

Rz. 12

Die ehrenamtlichen Richter entscheiden jedoch mit, wenn Beschlüsse aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergehen. Dann wirken auch die ehrenamtlichen Richter mit, beispielsweise bei Beschlüssen über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.[5] Ob die Beteiligung der ehrenamtlichen Richter auch bei der Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach Abschluss der Urteilsberatungen (vor Verkündung oder Zustellung des Urteils) erforderlich ist, wird unterschiedlich beurteilt. Der BFH[6] lehnt die Beteiligung der ehrenamtlichen Richter ab; wegen der möglichen Manipulationsmöglichkeit durch die alleinige Verantwortlichkeit hauptamtlichen Richter ist auch die Beteiligung der ehrenamtlichen Richter erforderlich.[7] Nach Verkündung oder Zustellung des Urteils entscheiden nur die zuständigen hauptamtlichen Richter über die Wiedereröffnung des Verfahrens.[8]

 

Rz. 13

Nur in besonderen im Gesetz einzeln aufgeführten Fällen entscheidet der Vorsitzende oder der Berichterstatter allein durch Beschluss oder Gerichtsbescheid.[9] Der Einzelrichter entscheidet allein durch Beschluss außerhalb der mündlichen Verhandlung oder durch Gerichtsbescheid, wenn das Gericht ihm nach § 6 FGO den Rechtsstreit zur Entscheidung übertragen hat.

 

Rz. 14

Bei Vorlagebeschlüssen gem. Art. 100 GG an das BVerfG soll das Gericht in der Besetzung entscheiden, die für die anstehende Entscheidung maßgeblich ist, f...

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