Rz. 19

In prozessrechtlicher Hinsicht handelt es sich im Fall der Verbindung von Klagen i. S. des § 43 FGO dennoch um eine sog. Mehrheit von Klagen, die lediglich in einer Klageschrift äußerlich verbunden werden. Eine solche objektive Klagehäufung lässt die verschiedenen Streitgegenstände der einzelnen zusammengefassten Klagen aber unberührt. Auch die Entscheidung des FG ergeht sodann zwar einheitlich über sämtliche zusammengefassten Rechtsmittel, wird jedoch hinsichtlich des einzelnen Streitgegenstands getrennt getroffen.[1] Insoweit kann das FG anstelle einer gemeinsamen Entscheidung über die verbundenen Klagen daher einerseits auch unter den Voraussetzungen des § 73 FGO die verbundenen Klageverfahren trennen und sodann getrennt oder andererseits für einzelne Streitgegenstände unter den Voraussetzungen des § 98 FGO durch Teilurteil entscheiden.[2]

 

Rz. 20

Daher bleibt bei einer Klagehäufung nach § 43 FGO oder bei einer Verbindung mehrerer Verfahren nach § 73 FGO jeder Streitgegenstand für sich isoliert bestehen.[3] Die Rechtsfolgen dieser verfahrensrechtlichen Wirkung sind:

  • Die gemeinsame Klageerhebung führt zur Rechtshängigkeit i. S. des §66 FGO aller prozessualen Ansprüche.[4]
  • Jede einzelne der zusammengefassten Klagen kann vom Kläger auch gesondert zurückgenommen werden. Eine unzulässige Teilrücknahme i. S. des § 72 FGO liegt insoweit nicht vor.[5]
  • Die Sachentscheidungsvoraussetzungen müssen für jede einzelne der verbundenen Klagen vorliegen.[6] Daher ist jedes der Klagebegehren (Rz. 2) auf seine Zulässigkeit und das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen gesondert zu prüfen.[7]
  • Der Verzicht auf mündliche Verhandlung gem. § 90 Abs. 2 FGO kann auf einen abtrennbaren Teil des Verfahrens beschränkt werden.[8] Insoweit dürfte dasselbe für das Einverständnis der Beteiligten mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter als konsentierter Einzelrichter gem. § 79a Abs. 3, 4 FGO gelten. Dies dürfte sodann aber aufgrund des unterschiedlichen Zusammenhangs des zur Entscheidung berufenen Spruchkörpers zu einer Verfahrenstrennung nach § 73 FGO führen.
  • Das finanzgerichtliche Verböserungsverbot bezieht sich auf jede einzelne Klage[9], sodass ein Saldierungsverbot zwischen den einzelnen Streitgegenständen besteht.[10]
  • Eine notwendige Beiladung ist auch für nur einen Teil der Klagegegenstände möglich und erfordert daher keine Trennung der Verfahren.[11] Allerdings darf das Steuergeheimnis dieser begrenzten Beiladung nicht entgegenstehen, denn auch die Verbindung von mehreren Klageverfahren steht unter dem Vorbehalt, dass das Steuergeheimnis nicht verletzt wird.[12] Sofern das FG allerdings die Beiladung nicht auf einzelne Klagegegenstände beschränkt, wirkt die Beiladung – ohne dass sich daraus materiell-rechtliche Folgerungen ergeben – auch für die anderen Streitgegenstände.[13]
  • Die durch gemeinsame Klageerhebung verbundenen Verfahren können vom FG im Regelfall nur durch einen Beschluss gem. § 73 Abs. 1 S. 2 FGO getrennt werden.[14]
  • Die Zulassung der Revision kann auf einen Streitgegenstand beschränkt werden.[15] Daher kann auch der Kläger seine Nichtzulassungsbeschwerde oder Revision auf einzelne Streitgegenstände beschränken.[16] Hat das FG durch Urteil über mehrere, selbständige Streitgegenstände entschieden und will der Kläger mit seiner Revision hiergegen insgesamt vorgehen, muss die Revision für jeden Streitgegenstand die verletzte Rechtsnorm bezeichnen und eine gesonderte Begründung geben.[17]
[1] BFH v. 14.7.1995, X B 330/94, BFH/NV 1996, 153; BFH v. 14.1.1975, VIII R 241/71, BStBl II 1975, 385.
[2] Fu, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO/Keß, § 98 FGO Rz. 4; v. Beckerath, in Gosch, AO/FGO, § 43 FGO Rz. 63.
[3] BFH v. 14.1.1975, VIII R 241/71, BStBl II 1975, 385; BFH v. 24.10.1973, VII B 47/72, BStBl II 1974, 137.
[8] BFH v. 25.11.1970, I R 7/69, BStBl II 1971, 181; a. A. FG Münster v. 28.10.1970, VIII-III h 55-62/64, EFG 1971, 142.
[9] FG Nürnberg v. 15.7.1991, V 27/90, EFG 1992, 82.
[10] BFH v. 14.1.1975, VIII R 241/71, BStBl II 1975, 385.
[13] BFH v. 28.7.1983, V R 53/81 (n. v.).
[16] Gräber/Teller, FGO, 9. Aufl. 2019, § 43 Rz. 19.

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