2.5.1 Voraussetzungen

 

Rz. 28

Zukünftige (noch nicht bestehende) Rechtsverhältnisse sind im Regelfall nicht feststellungsfähig (Rz. 13). Nur wenn eine solche Feststellung im Interesse eines wirksamen Rechtsschutzes notwendig ist und der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen (vorzeitigen) Feststellung hat, ist die ein zukünftiges Rechtsverhältnis betreffende Feststellungklage zulässig. Die Feststellung eines zukünftigen Rechtsverhältnisses ist als ultimo ratio nur zulässig, wenn mit dem nachträglichen Rechtsschutz durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage endgültig Rechtsverluste verbunden sind.[1] Daher ist eine sog. vorbeugende Feststellungsklage nur ausnahmsweise zulässig, wenn mit dem nachträglichen Rechtsschutz nicht mehr korrigierbare Rechtsverluste verbunden sind; die vorbeugende Feststellungsklage also zur Erreichung eines effektiven Rechtsschutzes unumgänglich ist.[2]

 

Rz. 29

Eine zulässige vorbeugende Feststellungsklage erfordert daher zunächst eine bereits hinreichende Konkretisierung des Rechtsverhältnisses, sodass der Kläger aufgrund eines überschaubaren Sachverhalts mit negativen Folgen zu rechnen hat.[3] Insoweit bereitet die vorbeugende Feststellungsklage bei der Abgrenzung zur sog. vorbeugenden Unterlassungsklage besondere Schwierigkeiten, weil bei einer im Wesentlichen gleichgelagerten Ausgangs- und Interessenlage des Klägers in beiden Fällen dasselbe Klageziel zur Abwehr drohender Nachteile durch behördliches Handeln verfolgt wird.[4] Die vorbeugende Unterlassungsklage ist aber als Unterfall der allgemeinen Leistungsklage nach dem Subsidiaritätsgrundsatz aus § 41 Abs. 2 S. 1 FGO gegenüber der vorbeugenden Feststellungsklage vorrangig.[5] Hiernach hat der Kläger sein Begehren daher vorrangig durch eine vorbeugende Unterlassungsklage zu verfolgen, wenn er sich gegen ein künftiges, ggf. schon beabsichtigtes bzw. angekündigtes Handeln der Finanzbehörde wendet. Wesentliches Abgrenzungskriterium ist somit, ob bereits ein hinreichend konkretes Handeln der Finanzbehörde droht.

 

Rz. 30

Darüber hinaus darf der Kläger nicht in ihm zuzumutender Weise auf die an sich nach der Verfahrensordnung im Regelfall angemessenen und ausreichend erachteten nachgängigen Rechtsschutzmöglichkeiten verwiesen werden können.[6] Denn wenn der Kläger zukünftige Eingriffe oder Nachteile abwenden will, kann er sein Rechtsschutzbegehren gegen die später ergehenden Bescheide oder Handlungen in jenem Zeitpunkt im Regelfall ohne Einschränkungen und wegen der Möglichkeit des vorläufigen Rechtsschutzes auch ohne Rechtsverlust verfolgen. Demgegenüber erfordert der vorbeugende Rechtsschutz in der Hauptsache in Gestalt der vorbeugenden Feststellungsklage daher ein besonders qualifiziertes Rechtsschutz- bzw. Feststellungsinteresse. Es muss für den Kläger aufgrund des konkreten Sachverhalts unzumutbar sein, das Eintreten des zukünftigen Rechtsverhältnisses und damit den Eintritt der künftigen Belastung abzuwarten. Ein Abwarten der tatsächlichen Rechtsverletzung ist nur dann unzumutbar, wenn die aufgrund der hinreichend konkretisierten Maßnahme eintretende Rechtsverletzung dann nicht oder nur schwerlich wiedergutgemacht werden könnte.[7]

[1] BFH v. 8.4.1981, II R 57/79, BStBl II 1981, 581; FG Münster v. 27.7.2016, 10 K 584/16 E, DStRE 2018, 312.
[2] BFH v. 30.9.2020, VII B 96/19, BFH/NV 2021, 781; Gräber/Teller, FGO, 9. Aufl. 2019, § 41 Rz. 20; Steinhauff, in HHSp, AO/FGO, § 41 FGO Rz. 157.
[3] Ebenso Steinhauff, in HHSp, AO/FGO, § 41 FGO Rz. 156.
[4] Zur vorbeugenden Unterlassungsklage Ossinger, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 40 FGO Rz. 53ff.
[5] Ebenso Gräber/Teller, FGO, 9. Aufl. 2019, § 41 Rz. 21; zum Meinungsstand Steinhauff, in HHSp, AO/FGO, § 41 FGO Rz. 168 und 420ff; v. Beckerath, in Gosch, AO/FGO, § 41 FGO Rz. 76.
[6] BFH v. 10.5.1977, VIII R 69/76, BStBl II 1977, 785.
[7] BFH v. 11.12.2012, VII R 69/11, BFH/NV 2013, 739; FG Berlin-Brandenburg v. 23.4.1998, 4 K 512/97 E, EFG 1998, 1138 spricht insoweit von erheblichen Nachteilen.

2.5.2 Einzelfälle

 

Rz. 31

Eine Unzumutbarkeit liegt daher im Zusammenhang mit Meinungsverschiedenheiten über Besteuerungsgrundlagen regelmäßig nicht vor, weil es dem Stpfl. grundsätzlich zumutbar ist, solche Streitigkeiten im Rechtsbehelfsverfahren gegen die ergehenden Steuerverwaltungsakte auszutragen. Daher kann die Feststellung, dass die zukünftige Erhebung der Erbschaftsteuer vom Vermögen einer Familienstiftung rechtswidrig sei, nicht erfolgreich sein. Die Familienstiftung erleidet nämlich keine erkennbaren endgültigen Rechtsverlust, wenn sie sich mittels einer Anfechtungsklage gegen einen später ergehenden Erbschaftsteuerbescheid wendet.[1] Nach Auffassung des Schleswig-Holsteinischen FG kann ein Feststellungsinteresse bei einer Feststellungsklage, mit der künftigen nachteiligen Verwaltungsakten vorgebeugt werden soll, aber ausnahmsweise bestehen, wenn besondere Gründe dargelegt werden, die es rechtfertigen, die Verwaltungsakte nicht abzuwarten.[2] Die Feststellungsklage ist allerdings nicht wegen eines rechtlich geschützten Disposi...

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