Rz. 112

§ 40 Abs. 3 FGO regelt den besonderen Ausnahmefall, in dem eine Körperschaft in ihrer Eigenschaft als Steuerberechtigte ausnahmsweise befugt ist, wegen der Steuerfestsetzung Klage zu erheben. Nach dieser Vorschrift sind Abgabenberechtigte wegen der von den Finanzbehörden des Bundes oder eines Landes festgesetzten oder festzusetzenden Steuern (oder Steuermessbeträgen) klagebefugt, wenn die Finanzbehörde des Bundes oder eines Landes die Abgabe ganz oder teilweise für den Abgabenberechtigten verwaltet und der Bund oder das Land die Abgabe ganz oder teilweise unmittelbar oder mittelbar schulden würde.

Entsprechend dieser umständlichen Gesetzesformulierung steht dem Abgabenberechtigten bzw. der jeweiligen ertragsberechtigten Körperschaft ein Klagerecht gegen die insoweit maßgebliche Steuerfestsetzung (bzw. Steuermessbescheide) nur im Falle einer Interessenkollision zu.[1] Eine solche liegt insoweit wiederum nur dann vor, wenn es sich um eine Abgabe handelt, die von einer Bundes- oder Landesfinanzbehörde verwaltet wird und bei der gleichzeitig der Bund oder das Land unmittelbar oder mittelbar der Abgabenschuldner ist.[2]

 

Rz. 113

Eine unmittelbare Steuerschuldnerschaft des Landes besteht nur dann, wenn das Land selbst den Besteuerungstatbestand verwirklicht hat – z. B. wenn der der Gewerbesteuer unterliegende Gewerbebetrieb ein Betrieb gewerblicher Art des Landes ist – oder wenn dem Land die Verwirklichung des Besteuerungstatbestands durch einen Dritten steuerlich zuzurechnen ist.[3] In diesem Zusammenhang erscheint es wegen der erforderlichen offensichtlichen Interessenkollision zweifelhaft, ob auch dann noch ein Fall des § 40 Abs. 3 FGO vorliegt, wenn der Bund einen Gewerbebetrieb unterhält und hierfür von der Finanzbehörde eines Landes ein Gewerbesteuermessbetrag festzusetzen ist.

 

Rz. 114

Unter welchen Voraussetzungen ein Bundesland eine Abgabe mittelbar i. S. des § 40 Abs. 3 FGO schuldet, definiert das Gesetz nicht. Weil vor der Geltung des § 40 Abs. 3 FGO eine Rechtsbehelfsbefugnis der Gemeinden in Verfahren wegen eines Gewerbesteuermessbetrags für eine Kapitalgesellschaft gegeben war, in denen das Land mehr als 50 % des Kapitals der gewerbesteuerpflichtigen Kapitalgesellschaft besaß, wurde zunächst eine mittelbare Steuerschuldnerschaft i. S. des § 40 Abs. 3 FGO bejaht, wenn das Land an dem steuerpflichtigen Unternehmen beteiligt ist.[4] Dem ist der BFH allerdings entgegentreten, denn der Begriff "schulden" werde in § 40 Abs. 3 FGO als Rechtsbegriff in Bezug auf einen Abgabenanspruch verwendet und setzt voraus, dass eine rechtliche Verpflichtung gegenüber einem Dritten bestehe.[5] Eine faktische Verpflichtung aus wirtschaftlichen, politischen oder moralischen Gründen reicht nicht aus. Wie im Fall der unmittelbaren Schuldnerschaft müsse es sich auch bei den mittelbaren Schulden i. S. des § 40 Abs. 3 FGO um eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung handeln. Die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft sind insoweit grundsätzlich nicht verpflichtet, die Steuerschulden der Gesellschaft zu erfüllen. Eine Patronatserklärung begründet wie auch alle anderen zivilrechtlichen (Einstands-)Verpflichtungen insoweit auch keine öffentlich-rechtliche Verpflichtung.[6] Inwieweit es insoweit überhaupt denkbare Anwendungsfälle gibt, in denen ein Dritter den Besteuerungstatbestand verwirklicht und das Land dessen Abgabenschuld kraft öffentlichen Rechts erfüllen muss, erscheint allerdings fraglich. Denn insbesondere dürfte das Klagerecht nach § 40 Abs. 3 FGO auch dann nicht gegeben sein, wenn ein Anspruch des Stpfl. auf Erstattung der Gewerbesteuer von der Landesfinanzbehörde gepfändet worden ist. Denn soweit sich die Interessenkollision unmittelbar aus dem Steuerschuldverhältnis ergeben muss, entsteht eine solche bei einer Pfändung erst aus den besonderen Umständen außerhalb des in Frage stehenden Steuerschuldverhältnisses und eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs von § 40 Abs. 3 FGO lasse das Gebot der Rechtssicherheit im Interesse des Stpfl. als Adressaten des Bescheids nicht mehr zu.[7]

Jedenfalls bei einer Beteiligung eines Landes als Kommanditistin an einer KG liegt auch keine mittelbare Schuld des Landes vor, weil bei einer KG die Haftung der Kommanditisten grundsätzlich auf die (erbrachte) Einlage gem. § 171 HGB beschränkt ist. Insofern ergeben sich gegenüber der Rechtssituation bei den Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft regelmäßig nur Abweichungen hinsichtlich des Komplementärs der KG, da die Kommanditisten, die ihre Einlage erbracht haben, genauso wie Gesellschafter von Kapitalgesellschaften nicht von den Gläubigern einer KG in Anspruch genommen werden können.[8] Die Haftung des Komplementärs wäre jedoch auch keine öffentlich-rechtliche Verpflichtung, sondern eine zivilrechtliche Verpflichtung. Allerdings geht es bei § 40 Abs. 3 FGO um einen evidenten bzw. offenkundigen Interessenkonflikt der verwaltenden Körperschaft, der bei einer Beteiligung an einer gewerblichen Personengesellschaft oder einer Kapitalgesell...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge