1 Allgemeines

 

Rz. 1

§ 35 FGO regelt die allgemeine sachliche Zuständigkeit der FG und weist diesen die Wahrnehmung der erstinstanzlichen Aufgaben im Finanzrechtsweg[1] zu. Die Regelung umfasst die Bestimmung der sachlichen und der funktionellen Zuständigkeit. D. h. § 35 FGO bestimmt, dass die FG im ersten Rechtszug über alle Streitigkeiten entscheiden, für die der Finanzrechtsweg nach § 33 FGO eröffnet ist.[2]

Dem BFH ist in diesem Kontext mit dem nachfolgenden § 36 FGO lediglich die funktionelle Zuständigkeit als Rechtsmittelgericht zugewiesen. Das innerhalb der Finanzgerichtsbarkeit örtlich zuständige FG bestimmt sich nach § 38 FGO. Die Rechtsfolgen für das unzuständige Gericht richten sich nach § 70 FGO (Rz 11f.). Allerdings wird die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts durch eine erst nach Rechtshängigkeit[3] eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände nicht mehr berührt.[4] In der Rechtsmittelinstanz ist die Frage nach der sachlichen Zuständigkeit nicht mehr durch den BFH zu prüfen, wenn die Entscheidung des FG nicht offensichtlich rechtswidrig ist.[5]

 

Rz. 2

Diese Regelungen sind zwingend[6] und der Disposition der Beteiligten[7] entzogen.[8] Diese Einschränkungen leiten sich aus der objektiven Gewährleistung des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG ab.

[2] BFH v. 20.10.2004, II R 74/00, BStBl II 2005, 99 im Zusammenhang mit einem erstmals im Revisionsverfahren gestellten Feststellungsantrag.
[6] Ebenfalls Steinhauff, in HHSp, AO/FGO, § 35 FGO Rz. 14f.
[8] BFH v. 13.5.2014, XI B 129-132/13, BFH/NV 2014, 1385 m. w. N.; Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, Vorbem. zu §§ 35–39 FGO Rz. 1 m. w. N.

2 Sachliche und funktionelle Zuständigkeit der FG

 

Rz. 3

Nach dem Wortlaut der Vorschrift wird eine umfassende (erstinstanzliche) sachliche Zuständigkeit der FG für alle Rechtsstreitigkeiten des Finanzrechtswegs nach § 33 FGO begründet, unabhängig vom Streitwert, vom Streitgegenstand und davon, ob auf Seiten der Finanzverwaltung eine Landesfinanzbehörde oder eine Bundesfinanzbehörde beteiligt ist. Die Zuständigkeit des FG beginnt mit Einreichung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes und endet denklogisch mit der Rechtskraft der finanzgerichtlichen Entscheidung bzw. der Rechtsmitteleinlegung beim BFH.[1] Danach richtet sich die Zuständigkeit des BFH nach § 36 FGO.

 

Rz. 4

Abweichend vom Grundsatz des § 35 FGO ist allerdings (bedauerlicherweise ohne einen entsprechenden Hinweis in den §§ 35, 36 FGO) der BFH in erster und letzter Instanz zuständig für

  • Entschädigungsklagen wegen überlanger Verfahrensdauer eines finanzgerichtlichen Verfahrens[2],
  • das sog. "in-camera"-Verfahren[3] – d. h. für eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Verweigerung der Vorlage von Urkunden, Akten usw. durch Behörden – und
  • in äußerst seltenen Fällen für ein Ablehnungsgesuch nach § 51 FGO wegen der Besorgnis der Befangenheit eines FG-Richters, wenn das FG durch Selbstablehnung aller Richter beschlussunfähig geworden ist.[4]
 

Rz. 5

Die sachliche Zuständigkeit der FG besteht primär für das Klageverfahren.[5] In diesem Rahmen haben die FG auch über entscheidungserhebliche Vorfragen aus anderen Rechtsgebieten zu entscheiden[6] und können Vorlagen an das BVerfG im Wege einer konkreten Normenkontrolle[7] sowie Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH im Zusammenhang mit der Auslegung primären oder sekundären Unionsrecht[8] richten.

 

Rz. 6

Daneben umfasst die sachliche Zuständigkeit der FG auch die Zuständigkeit als Vollstreckungsgericht für die Kosten des Verfahrens[9], die gegen (nicht mit Rechtsmitteln zum BFH anfechtbare) Entscheidungen der FG erhobenen Anhörungsrügen[10] sowie die selbständigen Nebenverfahren wie die

 

Rz. 7

Für die Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung sind die FG aber nur solange funktionell zuständig, wie sie Gericht der Hauptsache i. S. d. § 69 Abs. 3 S. 1 FGO sind. D. h. das FG ist für den Aussetzungsantrag zuständig, wenn ein Verfahren, dessen zugrunde liegender Verwaltungsakt ausgesetzt werden soll, bei ihm bereits anhängig ist oder voraussichtlich anhängig sein wird.[11]

Die Zuständigkeit des FG entfällt erst mit Eintritt der Rechtskraft seines Urteils bzw. ab dem Zeitpunkt, in dem beim BFH ein Rechtsmittel gegen das erstinstanzliche Urteil anhängig geworden ist.[12] Mit Einlegung eines Rechtsmittels ist der BFH das Gericht der Hauptsache und insoweit funktionell für den Aussetzungsantrag zuständig.[13] D. h. zwischen den Instanzen bleiben die FG funktionell zuständig. Allerdings wird bereits mit ei...

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