Rz. 28

Eine Ermessensunterschreitung liegt vor, wenn die Behörde bei ihrer Entscheidung nicht erkennen lässt, dass ihr bei dem gegebenen Sachverhalt ein Ermessen eingeräumt ist.[1] Denn wenn sie bei Erlass ihres Verwaltungsakts eine Ermessensentscheidung nicht hat erkennen lassen, ist vom Betroffenen und vom Gericht davon auszugehen, dass Ermessen nicht ausgeübt wurde. Ebenfalls ermessensfehlerhaft ist es, wenn die Behörde tatsächlich keine Ermessensentscheidung getroffen hat, weil sie der Meinung war, die von ihr angeordnete Rechtsfolge sei vom Gesetz zwingend vorgeschrieben – Ermessensnichtgebrauch. Sie hat dann die gesetzliche Ermächtigung nicht ausgefüllt. Dies kann beispielsweise bei der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes nach § 146 AO sein, wenn das FA im Rahmen der Ausübung des Entschließungsermessens von einer Vorprägung ausgeht, wonach jede Verletzung der Mitwirkungspflichten, sofern sie nicht gerechtfertigt und entschuldbar ist, grundsätzlich zur Festsetzung eines Verzögerungsgelds führt.[2] Der Bürger hat aber einen Rechtsanspruch darauf, dass die Behörde ihr Ermessen ihm gegenüber sachgerecht ausübt.[3] Dies gilt auch dann, wenn sich die Behörde einer Pflicht zur Ausübung des eingeräumten Ermessens überhaupt nicht bewusst ist, weil sie die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen dafür, ob eine Ermessensentscheidung zu treffen ist, als nicht erfüllt angesehen hat.[4]

 

Rz. 29

Der Zweck der Ermächtigung wird auch verfehlt, wenn die Behörde bei ihrer Entscheidung ihr Ermessen unterschritten hat, weil sie nicht alle ihr vom Gesetz eingeräumten Entscheidungsmöglichkeiten erkannt und in ihre Abwägung einbezogen hat – Ermessensunterschreitung. Denn eine sachgerechte Entscheidung hinsichtlich der Zweckmäßigkeit der anzuordnenden Rechtsfolge kann nur erfolgen, wenn alle Möglichkeiten erwogen werden. Fehlt es daran, ist die Entscheidung als ermessensfehlerhaft aufzuheben. So hat die Behörde in bestimmten Fällen nicht nur ihr Ermessen auf der Rechtsfolgeseite unter Beachtung aller ihr eingeräumten Möglichkeiten auszuüben, sondern muss sich auch ihres Auswahl- und Entschließungsermessens bewusst sein und auch insoweit nachvollziehbare Entscheidungen treffen. Fehlt es nur auf einer Stufe an einer vollständigen Ermessensentscheidung, ist der Verwaltungsakt als ermessensfehlerhaft wegen Ermessensunterschreitung aufzuheben.

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