Rz. 1

Die Vorschrift gilt für die Zustellung sowohl schriftlicher als auch elektronischer Dokumente. Für die Regelung, ob an den Stpfl. oder den Bevollmächtigten zuzustellen ist, unterscheidet das Gesetz danach, ob die Zustellung an einen Bevollmächtigten gerichtet werden können.[1] Hat der Bevollmächtigte eine schriftliche Vollmacht vorgelegt hat, sind Zustellungen an diesen zu richten.[2] Die Bestellung eines Bevollmächtigten bedarf grundsätzlich nicht der Schriftform.[3] Im Besteuerungsverfahren ist es daher üblich, dass Angehörige der steuerberatenden Berufe als Bevollmächtigte auftreten, ohne eine Vollmacht vorzulegen, sondern die Bevollmächtigung lediglich versichern. Das genügt für die Vertretung vor der Behörde, jedoch nicht für Zustellungen nach Abs. 1 S. 2.

 

Rz. 2

Hat der Bevollmächtigte keine schriftliche Vollmacht vorgelegt, steht es im Ermessen der Verwaltung ("können"), ob sie an den Vertretenen oder den Bevollmächtigten zustellen will; insoweit entspricht die Vorschrift dem § 122 Abs. 1 AO.[4] Es muss aber überhaupt eine Vollmacht vorliegen. Dies kann auch eine Duldungsvollmacht sein, wenn der Stpfl. das ihm bekannte Handeln des Empfängers duldet, ohne ihm ausdrücklich eine Vollmacht erteilt zu haben.[5] Das Gleiche gilt für eine Anscheinsvollmacht, bei der der Stpfl. den Anschein einer Bevollmächtigung setzt und die Behörde dadurch von einer tatsächlichen Bevollmächtigung ausgeht. Ebenfalls ausreichend für eine Bevollmächtigung ist, wenn der Stpfl. die Bevollmächtigung der Behörde gegenüber anzeigt.[6] Dann liegt nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen keine Rechtsscheinvollmacht vor, sondern eine tatsächliche Bevollmächtigung, die wie eine dem Bevollmächtigten gegenüber ausgesprochene Bevollmächtigung zu behandeln ist.

Bei der Ermessensentscheidung, ob bei einer nicht schriftlich vorgelegten Bevollmächtigung eine Zustellung an den Bevollmächtigten oder den Stpfl. erfolgt, sind die Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Interessen des Stpfl. zu berücksichtigen.[7] Die Finanzbehörde muss bei der Ermessensentscheidung prüfen, ob die Zustellung an den Bevollmächtigten oder an den Stpfl. selbst mehr den mutmaßlichen Interessen des Stpfl. entspricht. Besteht kein Zweifel an dem Bestehen einer (nicht schriftlichen) Vollmacht, darf das FA an den Bevollmächtigten zustellen, muss dies aber nicht. Ist die Bestellung als Bevollmächtigter nicht eindeutig, darf das FA nicht an den Bevollmächtigten, sondern muss an den Stpfl. selbst zustellen.[8]

Für die Ermessensentscheidung geht der BFH[9] davon aus, dass die Behörde bei Fehlen einer schriftlichen Vollmacht, die auch die Zustellung umfasst, die Zustellung an den Stpfl. persönlich vorzunehmen habe, wenn nicht die besonderen Umstände des Einzelfalls das Interesse des Stpfl. an einer Zustellung an den Bevollmächtigten eindeutig erkennen lassen. Die Zustellung an den Stpfl. selbst ist bei Fehlen einer schriftlichen Vollmacht die Regel; die Möglichkeit, auch in diesem Fall an den Bevollmächtigten zustellen zu können, stellt eine Erweiterung dar. Die Zustellung an den Stpfl. selbst ist daher regelmäßig nicht ermessensfehlerhaft.[10] Trotz der im Regelfall besseren Büroorganisation des Bevollmächtigten und seiner besseren Fachkenntnis in Verfahrensfragen könne der Stpfl. schon aus Gebührengründen ein Interesse daran haben, die Entscheidung der Finanzbehörde erst einmal selbst nachzuprüfen und dann zu entscheiden, ob er einen Berater einschalten will.

 

Rz. 3

Hat der Bevollmächtigte dagegen eine schriftliche Vollmacht vorgelegt, muss die Behörde an den Bevollmächtigten zustellen. Dies gilt auch für eine Untervollmacht.[11] Im Gegensatz zu § 122 AO, nach dem eine ausdrückliche Empfangsvollmacht erforderlich ist, ist die Zustellung auch dann an den Vertreter zu richten, wenn er eine allgemeine schriftliche Vollmacht vorgelegt hat; insoweit schließt das Gesetz jeden Ermessensspielraum aus.[12]

Die Vollmacht muss gerade bei dem FA vorgelegt worden sein, das die Zustellung vornimmt; die bei einem anderen FA (z. B. Wohnsitzfinanzamt) eingereichte Vollmacht hat diese Wirkung nicht.[13]

Die Verpflichtung, an den Bevollmächtigten zuzustellen, reicht jedoch immer nur soweit, wie die Vollmacht reicht; sie besteht nicht für Verfahrensarten, auf die sich die Vollmacht nicht erstreckt.[14] Bei Fehlen einer schriftlichen Vollmacht ist an den Bevollmächtigten zuzustellen, wenn die Behörde sich im Lauf des Verfahrens an ihn gewandt hatte.[15] Ein willkürlicher Wechsel der Person, an die zugestellt wird, würde dem Ziel der Rechtssicherheit widersprechen.

 

Rz. 4

Bei Einspruchseinlegung durch einen Bevollmächtigten ist die Einspruchsentscheidung regelmäßig ihm zuzustellen.[16] Die Finanzbehörde ist nicht verpflichtet, von sich aus nachzufragen, ob eine Empfangsvollmacht besteht; es ist Sache des Stpfl., die Finanzbehörde eindeutig zu informieren, wenn er Zustellung an einen Bevollmächtigten wünscht.[17] Wird danach unberechtigt an den Vertretenen zugestellt, ist die Zustel...

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