2.2.1 Strafverfahren wegen Steuerstraftaten

 

Rz. 10

Nach Art. 108 GG obliegt den Finanzbehörden[1] die Verwaltung von Steuern. Ziel dieses Verwaltungsverfahrens ist die Verwirklichung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis (Rz. 1). Darüber hinaus bringt aber § 386 Abs. 1 S. 1 AO für die Finanzbehörde i. S. v. §§ 386 Abs. 1 S. 2, 404 AO eine Aufgabenerweiterung. Hiernach hat die Finanzbehörde bei Verdacht einer Steuerstraftat[2] die Aufgabe der Sachverhaltsermittlung. Ziel des Steuerstrafverfahrens, wie auch des Bußgeldverfahrens[3], ist die Ahndung steuerlichen Fehlverhaltens.

 

Rz. 11

Die Finanzbehörde tritt dem Bürger also in einer Doppelfunktion gegenüber. Soweit sie im Rahmen ihrer steuerlichen Aufgabe tätig wird, handelt sie als Verwaltungsbehörde[4]. Wird die Finanzbehörde in ihrem strafrechtlichen Aufgabenbereich[5] tätig, ist sie insoweit Justizorgan[6]. Sie erfüllt als Organ der Strafrechtspflege Aufgaben der Justiz, die der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs dienen. Dieses Verfahren zur Realisierung des Strafanspruchs, das Strafverfahren, ist ein besonderes öffentlich-rechtliches Verfahren, aber kein Verwaltungsverfahren. Die Gestaltung des Strafverfahrens wegen Steuerstraftaten[7] richtet sich nach den allgemeinen Gesetzen, vornehmlich GVG und StPO[8]. Die allgemeinen steuerlichen Verfahrensvorschriften der AO finden grundsätzlich (Rz. 14) keine Anwendung.

[1] Rz. 9.
[3] Rz. 12.
[4] Rz. 9.
[5] Rz. 10.
[6] Vor §§ 385–408 AO Rz. 14.

2.2.2 Bußgeldverfahren wegen Steuerordnungswidrigkeiten

 

Rz. 12

Steuerordnungswidrigkeiten[1] haben, anders als Steuerstraftaten[2], keinen kriminellen Unrechtsgehalt. Bußgeldtatbestände ahnden "Verwaltungsungehorsam"[3]. Die Verfolgung des "Verwaltungsungehorsams" erfolgt durch die jeweils betroffene Verwaltungsbehörde. Die Finanzbehörde nimmt, anders als im Steuerstrafverfahren (Rz. 11), im Bußgeldverfahren wegen Steuerordnungswidrigkeiten[4] also keine zusätzliche Aufgabe wahr, sondern handelt in ihrer Eigenschaft als Verwaltungsbehörde. Das Bußgeldverfahren ist demgemäß also ein Verwaltungsverfahren, allerdings ein besonderes förmliches Verwaltungsverfahren. Das Bußgeldverfahren findet seine Gestaltung durch das OWiG bzw. die StPO[5]. Die Verfahrensregelungen für das steuerliche Verwaltungsverfahren[6] finden grundsätzlich keine Anwendung.

2.2.3 Verfahrensüberschneidungen

 

Rz. 13

Aufgrund der Doppelfunktion[1] kann die Finanzbehörde dem Bürger gegenüber also mit unterschiedlichen Verfahren handeln[2]. Dies kann zu erheblichen Konfliktsituationen führen, da zwischen dem steuerlichen Verwaltungsverfahren und dem Straf- bzw. Bußgeldverfahren gravierende verfahrenssystematische Unterschiede bestehen. Während einerseits im Besteuerungsverfahren dem Stpfl. weitgehende Mitwirkungspflichten auferlegt sind[3], verbunden mit der Verpflichtung, sich selbst zu belasten, kann im Straf- bzw. Bußgeldverfahren der Beschuldigte bzw. Betroffene sanktionslos von jeder Mitwirkung absehen, weil er eben nicht verpflichtet ist, sich selbst zu belasten[4]. Diese durch die Verfahrenssystematik bedingte Konfliktsituation wird in der AO nicht gelöst. Nach § 393 Abs. 1 S. 1 AO sollen sich, wenn Steuerstraf- bzw. Bußgeldverfahren[5] und Besteuerungsverfahren nebeneinander anhängig sind, die Rechte und Pflichten des Stpfl. nach dem jeweiligen Verfahren richten, wobei als Konsequenz aus der Doppelgleisigkeit des Verfahrens nach § 393 Abs. 1 S. 2 AO im Besteuerungsverfahren die Anwendung von Zwangsmitteln[6] zur Durchsetzung der Mitwirkungspflichten ausgeschlossen ist. § 393 AO gibt aber keine Lösung für die Frage, welche Rechtsfolgen bei Erfüllung der steuerlichen Mitwirkungspflicht, die inhaltlich eine strafrechtliche Selbstbelastung wäre, für das Steuerstrafverfahren eintreten, also inwieweit belastende Umstände im Steuerstrafverfahren verwertet werden können[7].

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