Rz. 1

Der Titel "Bestandskraft" im Unterabschnitt "Steuerfestsetzung" ist gekennzeichnet durch die "Systemferne" der AO. Trotz der Überschrift beschäftigt sich der Titel nicht mit der Bestandskraft von Steuerverwaltungsakten, und zwar weder mit der Begründung noch mit der Wirkung der formellen und der materiellen Bestandskraft, sondern nur mit der Durchbrechung der formellen Bestandskraft von Steuerbescheiden und gleich behandelten Bescheiden. Selbst in diesem eingeschränkten Regelungsgebiet (Durchbrechung der formellen Bestandskraft von Steuerbescheiden) enthält der Titel keine vollständige Regelung, sondern nur einen Teil der einschlägigen Vorschriften.

Systematisch besser aufgebaut ist das VwVfG. Hier behandelt der Abschn. 2 "Bestandskraft" des Teils III "Verwaltungsakt" tatsächlich die Bestandskraft, d. h. Entstehung und Durchbrechung der Bestandskraft. Dabei wird z. B. deutlich, dass die Vorschrift über die Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten, § 129 AO bzw. § 42 VwVfG, außerhalb der Vorschriften über Bestandskraft steht, diese Berichtigung also keine Durchbrechung der Bestandskraft darstellt.

 

Rz. 2

Der Begriff der Bestandskraft hat eine materielle und eine formelle Komponente. Der Begriff der formellen Bestandskraft ist ein verfahrensrechtlicher Begriff, der lediglich aussagt, ob der Inhalt des Verwaltungsakts noch geändert werden kann. Unterschieden werden kann die formelle Bestandskraft danach, ob der Verwaltungsakt noch angefochten werden kann oder ob er nach Unanfechtbarkeit noch geändert werden kann. Die formelle Bestandskraft ist zu unterscheiden vom Begriff der materiellen Bestandskraft (Wirksamkeit), der regelt, ob ein Verwaltungsakt existent geworden ist (äußere Wirksamkeit), und ob der Adressat und die Behörde die Entscheidung, die in dem Verwaltungsakt getroffen worden ist, befolgen müssen (innere Wirksamkeit).

 

Rz. 3

Der materiellen und formellen Bestandskraft fähig ist nicht der Verwaltungsakt als Ganzes, sondern nur sein verfügender Teil, der "Tenor". Der verfügende Teil spricht aus, gegen wen sich der Verwaltungsakt richtet (persönlicher Geltungsbereich), was im Verhältnis dieser Person zur Finanzbehörde gelten soll (sachlicher Geltungsbereich) und für welchen Zeitpunkt oder Zeitraum dies gelten soll (zeitlicher Regelungsbereich). Alle anderen Teile, insbesondere bei Steuerbescheiden die unselbstständigen Besteuerungsgrundlagen i. S. d. § 157 Abs. 2 AO und die Begründung, nehmen weder an der formellen noch an der materiellen Bestandskraft teil. Zum Regelungsbereich von Steuerbescheiden vgl. Frotscher, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 157 AO Rz. 7ff.

 

Rz. 4

Es ergibt sich folgende systematische Gliederung der Bestandskraft:

Die Regelungen der §§ 129, 177 AO gehören nicht in den Abschnitt über die Bestandskraft, da sie die Bestandskraft nicht durchbrechen.[2]

[2] Hierzu M. Frotscher, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 129 AO Rz. 1; § 177 AO Rz. 1ff.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge