Rz. 1

Nach Art. 35 Abs. 1 GG leisten alle Behörden des Bundes und der Länder sich gegenseitig Rechts- und Amtshilfe. Dabei sind die Worte "Behörden des Bundes und der Länder" sehr weit auszulegen. Sie umfassen nicht nur die Bundes- und Landesbehörden, sondern auch die Gemeindebehörden sowie über den Bereich der Behörden i. e. S. hinaus alle Stellen der Gebietskörperschaften und der anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts sowie die Gerichte in Bund und Ländern.[1] Wegen des in Art. 35 Abs. 1 GG niedergelegten Prinzips bedarf es keiner besonderen Vereinbarungen zwischen den beteiligten Behörden.[2]

 

Rz. 2

Das Amts- und Rechtshilfeprinzip des Art. 35 Abs. 1 GG kann nur zwischen den dem GG unterworfenen Behörden (Gerichten) gelten. Es gilt daher nicht für die zwischenstaatliche Hilfe, für die es vielfach völkerrechtliche Vereinbarungen gibt.

 

Rz. 3

Das Amts- und Rechtshilfeprinzip wird in zahlreichen Gesetzen des Bundes und der Länder konkretisiert, modifiziert, eingeschränkt oder ausgedehnt. Diese Vorschriften dienen also der Ausfüllung und Konkretisierung des Art. 35 Abs. 1 GG. Zu diesen Regelungen gehören auch die §§ 111116 AO. §§ 117-117d AO enthalten darüber hinaus Regeln für die zwischenstaatliche Amtshilfe. § 117 ist für die Amtshilfe an andere Staaten der EU ergänzt worden durch das EU-Amtshilfe-Gesetz.[3]

§§ 117a117d AO regeln besondere Einzelfälle der Amtshilfe.

Die Unterscheidung der Rechtshilfe und der Amtshilfe voneinander ergibt sich aus der Tätigkeit der ersuchten Stelle. Soll die Hilfeleistung für ein Gericht oder eine Behörde durch eine richterliche Tätigkeit geschehen, so ist eine Rechtshilfe erbeten. Soll die Hilfe durch ein Verwaltungshandeln (etwa auch durch eine Stelle eines Gerichts) erbracht werden, so handelt es sich um eine Amtshilfe.[4] Allerdings ist der Sprachgebrauch in Gesetzen, Rspr. und Lit. hinsichtlich der beiden Begriffe nicht einheitlich. Da § 111 Abs. 1 AO ausdrücklich die Amtshilfe durch Behörden und Gerichte erwähnt, werden von den §§ 111-116 AO auch Rechtshilfemaßnahmen erfasst.

 

Rz. 4

Durch die Amts- und Rechtshilfe soll die Durchführung der Aufgaben der ersuchenden Behörde ermöglicht und erleichtert werden. Insbesondere sollen Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten durch das Überwinden von Zuständigkeitsgrenzen auch für andere Behörden nutzbar gemacht werden. Dabei behält die eine Amtshilfe empfangende Behörde die Aufgabe und bleibt Herrin des Verfahrens. Die Amtshilfe stellt eine "ergänzende Hilfe"[5] einer Behörde für eine andere dar. Amts- und Rechtshilfe setzen grundsätzlich ein Ersuchen voraus.[6] Ein spontanes Tätigwerden einer Behörde gehört nicht zum prinzipiellen Inhalt der Rechts- und Amtshilfe, wird jedoch vielfach in Gesetzen besonders angeordnet und ist auch für die zwischenstaatliche Amtshilfe vorgesehen. Eine Rechts- oder Amtshilfe liegt nicht vor bei einem Tätigwerden einer Behörde im Über- oder Unterordnungsverhältnis des Verwaltungsaufbaus[7], in der Form einer besonders in einem Gesetz vorgesehenen Hilfsfunktion[8] oder wenn bestimmte Beamtengruppen als Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft[9] einer anderen Stelle als ihrer eigenen Behörde herangezogen werden. Auch ist eine Amtshilfe nicht gegeben, wenn eine Behörde nur – wie ein anderer Dritter – um Auskunft[10] oder Vorlage von Urkunden[11] gebeten wird oder aufgrund der Rechtsverordnung zu § 93a AO (Mitteilungsverordnung) Mitteilungen macht. Im Übrigen steht der Grundsatz der "Einheit der Verwaltungsfunktion"[12] häufig im Interessenkonflikt mit der Datenschutzidee. Zwischen Datenschutz und Amtshilfeprinzip ist daher eine genaue Grenzziehung erforderlich. Bei dieser helfen viele andere gesetzliche Regelungen.

 

Rz. 5

§§ 111115 AO entsprechen weitgehend den §§ 48 VwVfG und den §§ 37 SGB X; während jedoch §§ 48 VwVfG und die insofern weitgehend gleichlautenden Gesetze der Länder die Amts-(Rechts-)hilfepflicht aller Behörden untereinander anordnen, sehen §§ 111ff. AO einseitig nur die Amts-(Rechts-)hilfepflicht an die Finanzbehörden vor. Die Einseitigkeit beruht auf dem Gedanken des Steuergeheimnisses, das gerade als Durchbrechung des Amtshilfeprinzips besondere Bedeutung erlangt.[13] Eine Amtshilfe seitens der Finanzbehörden kommt nach §§ 111ff. AO grundsätzlich nur gegenüber anderen Finanzbehörden oder einer anderen mit der Mitwirkung an der Besteuerung betrauten Stelle in Betracht. Erlaubt allerdings ein Gesetz ausdrücklich das Offenbaren von Verhältnissen eines Stpfl. oder einer anderen Person[14], so gilt für die Finanzbehörden das allgemeine Amtshilfe- und Rechtshilfeprinzip auch gegenüber anderen Behörden.[15] Finanzbehörden sollen nach § 93 Abs. 8 AO auf Ersuchen anderer Behörden über das BZSt einzelne Daten abrufen und der ersuchenden Behörde oder dem ersuchenden Gericht mitteilen. In neuerer Zeit sind Sonderregelungen, die die Zulässigkeit der Amtshilfe einer Finanzbehörde an eine andere Behörde als Möglichkeit vorsahen, in verpflichtende Amtshilferegeln umgewandelt worden, z....

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge