1 Allgemeines

 

Rz. 1

§ 6a EUAHiG wurde neu eingeführt durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates vom 22.3.2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts[1] und dient der Umsetzung des Art. 5a Abs. 1 und 2 der Amtshilferichtlinie. Damit die Wirksamkeit des Informationsaustauschs gewährleistet und die ungerechtfertigte Ablehnung von Ersuchen verhindert wird, wird der international vereinbarte Standard der voraussichtlichen Erheblichkeit, wie er in der Rechtsprechung des EuGH wiederholt bestätigt und auch von der OECD für die Zwecke des Standards für den Informationsaustausch auf Ersuchen anerkannt wird, klar abgegrenzt und kodifiziert. Mit der Regelung wird von den bisher geltenden Voraussetzungen nicht abgewichen, sodass sie eher deklaratorischer Natur ist.[2]

[1] "DAC 7-Umsetzungsgesetz" v. 20.12.2022, BGBl I 2022, 2730.
[2] BT-Drs. 20/3436, 79.

2 Voraussichtliche Erheblichkeit (Abs. 1)

 

Rz. 2

§ 6a Abs. 1 EUAHiG definiert den Begriff der voraussichtlichen Erheblichkeit für eingehende Amtshilfeersuchen von anderen Mitgliedstaaten nach § 4 EUAHiG bzw. für ausgehende Ersuchen an andere Mitgliedstaaten nach § 6 EUAHiG. Demnach muss die ersuchende Behörde im Zeitpunkt des Ersuchens der Auffassung sein, dass unter Berücksichtigung des jeweiligen nationalen Rechts die realistische Möglichkeit besteht, dass die ersuchte Information für die Steuerangelegenheiten eines oder mehrerer Stpfl. erheblich und ihre Erhebung für Zwecke der Ermittlung gerechtfertigt sein werden. In Abgrenzung zu § 6b EUAHiG müssen die ersuchten Informationen namentlich bekannte Stpfl. betreffen.

Die Annahme der voraussichtlichen Erheblichkeit muss zum Zeitpunkt der Stellung des Ersuchens bestehen, also dann, wenn das zentrale Verbindungsbüro das Ersuchen übermittelt.[1] Es kommt nicht auf den Zeitpunkt an, zu dem die Finanzbehörde ihr Ersuchen dem BZSt übermittelt. Dies kann dann Bedeutung erlangen, wenn zwischen der innerstaatlichen Weiterleitung eines Ersuchens von einer Landesfinanzbehörde an das BZSt und der beabsichtigten Stellung des Ersuchens gegenüber einem anderen Mitgliedstaat längere Zeit vergeht. Verliert das Ersuchen in dieser Zwischenzeit an seiner voraussichtlichen Erheblichkeit, so kann dies unter besonderen Umständen dazu führen, dass die Verwertung der so erlangten Informationen für Besteuerungszwecke unzulässig ist.

 

Rz. 3

Gemeint ist mit dem Begriff der voraussichtlichen Erheblichkeit, dass die Information eine Qualität aufweisen muss, nach der es möglich erscheint, dass sie für Zwecke der Besteuerung genutzt werden kann.[2] Der Austausch der voraussichtlich erheblichen Informationen in Steuersachen soll Informationen über einzelne Fälle betreffen, wenn von einem anderen Mitgliedstaat darum ersucht wird. Hierfür sollen die erforderlichen Ermittlungen durchgeführt werden, um die erbetenen Informationen zu beschaffen. Das Merkmal der voraussichtlichen Erheblichkeit[3] soll sicherstellen, dass ein Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten im größtmöglichen Umfang stattfindet und eine ordnungsgemäße Besteuerung erfolgt.[4] Damit kann ein bekannter, steuerlich erheblicher Sachverhalt, den der Stpfl. erklärt hat, verifiziert werden oder ein bis dahin unbekannter Sachverhalt aufgeklärt werden. Dies gilt auch dann, wenn Anhaltspunkte für eine dem Fiskus bislang unbekannte Einkunftsquelle vorliegen und grundsätzlich aufzuklären ist, ob in diesem Zusammenhang ein steuerlich relevanter Sachverhalt verwirklicht wurde.[5] Zugleich wird durch diese Formulierung klargestellt, dass es den Mitgliedstaaten nicht erlaubt sein soll, sich an Beweisausforschungen ("fishing expeditions") zu beteiligen.[6] Insbesondere soll verdeutlicht werden, dass Informationen nicht eingeholt werden sollen, bei denen es unwahrscheinlich ist, dass sie für die Steuerangelegenheiten einer bestimmten Person[7], also eines konkreten Stpfl., erheblich sind. Die nach der Amtshilferichtlinie ersuchte Behörde muss stets prüfen, ob ein eingehendes Informationsersuchen den formalen Anforderungen entspricht und ob den ersuchten Informationen unter Berücksichtigung der Identität des betreffenden Stpfl. und der des Dritten, dem ggf. Auskunft erteilt wird, sowie der Bedürfnisse der fraglichen Steuerprüfung die voraussichtliche Erheblichkeit nicht völlig fehlt. Hat sie daran Zweifel, so muss sie den ersuchenden Staat um Nachbesserung des Ersuchens bitten.[8] Liegt nach Auffassung der ersuchten Behörde keine voraussichtliche Erheblichkeit vor, so ist sie nach der Amtshilferichtlinie nicht verpflichtet, einem Ersuchen nachzukommen. Ob eine Information voraussichtlich erheblich für die Besteuerung im EU-Ausland ist, kann nur auf Basis einer Prognoseentscheidung anhand der objektiv vorliegenden Informationen beurteilt werden. Die Finanzbehörde ist weder verpflichtet, das EU-ausländische Steuerrecht zu prüfen, noch die tatsächliche Erheblichkeit der Information für die Besteuerung.[9] Insb...

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