Rz. 4a

Mit der Einführung von § 12 EUAHiG hat der Gesetzgeber die Möglichkeit zur Durchführung von simultanen Prüfungen geschaffen. Damit werden in zwei oder mehr Mitgliedstaaten zeitgleich Betriebsprüfungen betreffend denselben Stpfl. oder bei nahestehenden Personen durchgeführt.

§ 12 EUAHiG schafft nur die Möglichkeit zeitgleicher Prüfungen, die Anwesenheit ausländischer Bediensteter oder die Durchführung einer gemeinsamen Prüfung, sog. Joint Audits[1], wird allein dadurch nicht geregelt. Erst zusammen mit §§ 10 und 11 EUAHiG für die Anwesenheit ausländischer Bediensteter im Inland, bzw. inländischer Bediensteter im Ausland, und §§ 4 bis 6 EUAHiG für den Informationsaustausch, kann ein umfangreicher gegenseitiger Informationsaustausch vereinbart werden.[2] Dieser sollen in erster Linie eine einvernehmliche Sachverhaltsermittlung ermöglichen und so eine Doppelbesteuerung vermeiden.[3] Der durch diese Art der Prüfung ermittelte Sachverhalt versetzt die beteiligten Mitgliedstaaten in die Lage, die steuerlichen Folgen nach dem jeweiligen nationalen Recht zu ziehen.[4] Gegenstand eines solchen Vorgehens ist regelmäßig die Prüfung grenzüberschreitender Sachverhalte, wie Verrechnungspreisfragen, Abgrenzungsfragen bei Betriebsstätten, grenzüberschreitende Steuergestaltungs- und vermeidungsmodelle oder Unternehmensumstrukturierungen.

Bei Anwesenheit ausländischer Bediensteter im Rahmen des Informationsaustauschs gem. § 10 EUAHiG dürfen diesen nur solche Erkenntnisse zugänglich gemacht werden, die nach § 4 EUAHiG auch im Rahmen eines Ersuchens auf Auskunfterteilung übermittelt werden dürften.[5] Zu diesem Zweck dürfen ausländische Bedienstete im Beisein inländischer Amtsträger an Dritte Fragen stellen und Aufzeichnungen prüfen, sofern das BZSt dieser Art des Informationsaustauschs vorher zustimmt hat.[6] Die Praxis zeigt, dass die Abgrenzung zwischen erlaubter Offenbarung und unzulässigem Bruch des Steuergeheimnisses oftmals nicht trennscharf vorzunehmen ist, sondern sich in einem Graubereich bewegt.

Noch nicht in nationales Recht umgesetzt ist die Amtshilferichtlinie insoweit, als dass Joint Audits, also gemeinsame statt gleichzeitige Prüfungen, bislang nicht in das EUAHiG aufgenommen worden sind. Art. 12a der Amtshilferichtlinie sieht die gemeinsame Prüfung von zwei oder mehr Mitgliedstaaten vor. Die Richtlinie benennt dafür praktisch keine Voraussetzungen. Gegenstand muss jedoch ein grenzüberschreitender Sachverhalt sein, damit die nach § 193 AO zu treffende Ermessensentscheidung über den Erlass einer Prüfungsanordnung rechtmäßig ist. Die gemeinsame Prüfung geht über den bislang geregelten Informationsaustausch hinaus. So wird mit der Umsetzung eine Rechtsgrundlage für gegenseitiges hoheitliches Handeln geschaffen. Die Rechtsstellung eines Prüfers anderer Mitgliedstaaten geht damit über ein weitgehend passives Verhalten hinaus und lässt die Vornahme bestimmter Ermittlungshandlungen zu. Damit wandelt sich das Recht in ein aktives Prüfungsrecht.[7] Bei einer gemeinsamen Prüfung erstellen ausländische Bedienstete und inländische Amtsträger gemeinsame Prüfungsschwerpunkte und fertigen einen gemeinsamen Prüfungsbericht. Gleichzeitig legen sie Uneinigkeiten über die Ergebnisse in dem Bericht offen. Die Mitgliedstaaten ziehen die Schlussfolgerungen aus dem Bericht unabhängig voneinander. Die Umsetzung der Amtshilferichtlinie in nationales Recht erfolgt bis zum 31.12.2023.[8]

Innerhalb der Europäischen Union basieren Joint Audits regelmäßig auf der Amtshilferichtlinie bzw. auf deren Umsetzung in nationales Recht. Mit Drittstaaten kommen Joint Audits aufgrund des jeweiligen DBA[9] in Betracht.

 

Rz. 4b

Die gemeinsame Prüfung kann und soll weder ein Verständigungs- oder Schiedsverfahren noch ein APA (Advance Pricing Agreements) ersetzen. Bei einem APA muss dies schon deshalb gelten, weil es regelmäßig in die Zukunft gerichtet ist, während die gemeinsame Prüfung abgeschlossene Zeiträume behandelt. Zudem bestehen unterschiedliche Zuständigkeiten. Während die gemeinsame Prüfung, zumindest aus nationaler Sicht, von den örtlich zuständigen Finanzbehörden durchgeführt wird, werden APA und Verständigungsverfahren durch das BZSt betrieben.[10] In der Praxis kann die Vorarbeit durch eine gemeinsame Prüfung ein Verständigungsverfahren zumindest erleichtern, sofern die gemeinsame Prüfung zu einem einvernehmlich festgestellten Sachverhalt gelangt. Dies kann bei Einigung der beteiligten Staaten im Einzelfall so weit gehen, dass das Joint Audit ein Verständigungsverfahren entbehrlich machen kann.[11]

[1] Zu den Voraussetzungen im einzelnen Eisgruber/Oertel, ISR 2017, 270.
[2] Zu den Erfahrungen mit Joint Audits Spensberger/Macho/Erichsen, ISR 2017, 263.
[3] BMF-Merkblatt über koordinierte steuerliche Außenprüfungen mit Steuerverwaltungen anderer Staaten und Gebiete v. 9.1.2017, BStBl I 2017, 89, Rz. 1.1.
[4] Eisgruber/Oertel, ISR 2017, 270.
[7] Frotscher, Internationales Steuerrecht, 5. Aufl. 2020,...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge