Rz. 14

Die Entscheidung über die Zuziehung eines Sachverständigen steht im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde.[1] Diese bestimmt in den Grenzen des § 5 AO, ob die für die Tatsachenfeststellung notwendige Sachkunde vorhanden oder aber von unabhängiger, dritter Seite einzuholen ist. Die Quelle eigener, behördlicher Sachkunde ist beliebig und kann somit auch in der Privatsphäre des Entscheidungsträgers ihren Ursprung haben. Kann auf die Sachkunde eigener Bediensteter zurückgegriffen werden, ist die Behörde nicht verpflichtet, einen unabhängigen Sachverständigen einzuschalten.[2] Dies gilt auch in Fällen, in denen die Sachverhaltsfeststellung besondere Fachkenntnisse voraussetzt. Hängt bei feststehendem Sachverhalt die Entscheidung von einer rechtlichen Beurteilung ab (so z. B. bei der Frage, ob die Schätzungsbefugnis der Finanzbehörde nach § 162 AO eröffnet ist[3]), so ist kein Raum für die Bestellung eines Sachverständigengutachtens. Es besteht kein Erfahrungssatz des Inhalts, dass Gutachten finanzbehördlicher Sachverständiger für den Stpfl. im Allgemeinen ungünstiger ausfallen als unabhängige Sachverständigengutachten.[4]

 

Rz. 15

Möchte die Finanzbehörde aufgrund eigener Sachkunde entscheiden, so muss sie dies den Beteiligten jedenfalls in Grenzfällen mitteilen und in der Verwaltungsentscheidung zu erkennen geben, auf welchen Kenntnissen und Erfahrungen ihre eigene Sachkunde beruht.[5] Anderenfalls könnten die Beteiligten nicht überprüfen, ob die Finanzbehörde tatsächlich über die notwendige Sachkunde verfügt. Im Rahmen der Prüfung der Angemessenheit von Gesellschafter-Geschäftsführergehältern kann sich die eigene Sachkunde z. B. aus allgemein zugänglichen, detaillierten Gehaltsstrukturuntersuchungen ergeben.[6] Einer gesonderten Begründung bedarf es aber nur dann, wenn überhaupt Zweifel an der behördlichen Sachkunde bestehen. Dies kann z. B. bei der Feststellung einer künstlerischen Tätigkeit[7] oder einer behinderungsbedingten Erwerbsunfähigkeit[8] sowie bei Fragen der Unternehmens-[9] und Gegenstandsbewertung[10] der Fall sein. Die Sachkunde der Finanzbehörde steht hingegen grundsätzlich nicht infrage, wenn für die Sachbeurteilung keine besonderen Branchenkenntnisse erforderlich sind.[11] Die Spezialisierung in den Finanzbehörden einhergehend mit dem verstärktem Einsatz von Branchen- und Fachprüfern schreitet voran, sodass sehr häufig ausreichend Fachkunde in den Finanzbehörden zur Beurteilung fachspezifischer Fragen vorhanden sein dürfte (z. B. Fachprüfung für Unternehmensbewertung, für Bodenwerte, für betriebliche Altersversorgung, für Auslandssachverhalte, etc.).

 

Rz. 16

In die von der Finanzbehörde zu treffende Ermessensentscheidung sind darüber hinaus folgende Gesichtspunkte einzubeziehen:

  • Administrierbarkeit: So kann ein Einzelgutachten in Massenverfahren wie dem der Einheitsbewertung nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen[12];
  • Gutachterkosten im Verhältnis zur Steuerbemessungsgrundlage bzw. zum Streitwert: Auch in diesem Zusammenhang ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.[13] Deshalb muss die Finanzbehörde z. B. auf eine unverhältnismäßig hohe kostenverursachende chemische Untersuchung einer Ware verzichten, wenn sich die Beschaffenheit der Ware auch erheblich billiger feststellen lässt.[14]
  • Mitwirkungspflichten: Unterlässt der Stpfl. im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung die ihm obliegende Mitwirkung, so kann die Finanzbehörde i. d. R. aufgrund verminderten Beweismaßes ohne weitere Sachaufklärung entscheiden.[15]
 

Rz. 17

Die Grenze des behördlichen Ermessens ist aber erreicht, wenn sich die Notwendigkeit der Zuziehung eines Sachverständigen mangels eigener Sachkunde oder sonstiger – den Beteiligten weniger belastender – Erkenntnisquellen aufdrängt.[16] In diesen Fällen muss sich die Finanzbehörde das notwendige Wissen durch einen Sachverständigen verschaffen. Allerdings ist in diesem Fall zusätzlich zu fordern, dass die zu beurteilende Besteuerungsgrundlage (z. B. die betriebliche Datenbasis im Falle einer Schätzung)[17] umfassender ermittelt und damit einer qualifizierteren Subsumtion unterzogen werden kann. Die Grenze einer nach § 88 AO zumutbaren Sachverhaltsermittlung darf insoweit nicht überschritten werden. Entscheidet die Finanzbehörde trotz fehlender Sachkunde selbst, so liegt ein Verfahrensfehler vor.[18] Beruft sich die Finanzbehörde auf die eigene Sachkunde, so hat sie dem Stpfl. die Quelle der Sachkunde offenzulegen, damit dieser sich ein Bild von der vorhandenen Sachkunde machen kann.[19]

 

Rz. 18

Das behördliche Ermessen umfasst nicht nur die Entschließung zur Hinzuziehung, sondern auch die Auswahl des Sachverständigen. In ihre Entscheidung kann die Finanzbehörde auch Kostengesichtspunkte einfließen lassen.[20] Ermessensfehlerhaft ist die Auswahl dann, wenn ein Verweigerungsrecht im Sinne des Abs. 4 bereits bekannt oder erkennbar ist. Die Beteiligten können der Finanzbehörde Vorschläge unterbreiten. Hierdurch wird diese aber nicht in ihrer Entscheidungsfreiheit einges...

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