Rz. 25

Beschränkt geschäftsfähige Personen werden zudem auch durch öffentlich-rechtliche Vorschriften als verfahrenshandlungsfähig anerkannt. Dies gilt bspw. für das sog. Staatsangehörigkeitsverfahren nach § 37 Abs. 1 S. 1 StAG oder bestimmte Anträge auf Sozialleistungen nach § 36 Abs. 1 S. 1 SGB I. Für das Steuerverfahrensrecht haben diese Vorschriften regelmäßig nur geringe Bedeutung.

 

Rz. 26

Aus den landesrechtlichen Vorschriften über den Kirchenaustritt oder subsidiär aus § 5 des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung[1], wonach Minderjährige nach Vollendung des 14. Lebensjahres über ihre Religionszugehörigkeit frei entscheiden können, ergibt sich nach h. M. eine partielle Verfahrenshandlungsfähigkeit im Besteuerungsverfahren hinsichtlich des Bestehens oder Nichtbestehens einer Kirchensteuerpflicht.[2] Die Vorschrift schränkt die elterliche Gewalt in Bezug auf die Religionserziehung ein und gibt dem Minderjährigen das Recht, in Religionsgemeinschaften ein- bzw. auszutreten. Aus dem Sachzusammenhang wird gefolgert, dass der Minderjährige dann auch für das daraus entstehende steuerrechtliche Verfahren verfahrenshandlungsfähig sein müsste. Aus der insoweit zugestandenen Religionsmündigkeit lässt sich jedoch nicht ableiten, dass der Gesetzgeber auch die Fähigkeit des Minderjährigen anerkennen wollte, seine Interessen im Besteuerungsverfahren in angemessener Weise wahrzunehmen. Allenfalls rechtfertigt diese Handlungsfähigkeit die steuerliche Verfahrenshandlungsfähigkeit in Bezug auf Rügen oder Rechtsbehelfe, die durch den Minderjährigen gegen die Erhebung der Kirchensteuer wegen der fehlenden Kirchenzugehörigkeit geltend gemacht werden.[3] Im Übrigen fehlt eine Verfahrenshandlungsfähigkeit in Kirchensteuerangelegenheiten.

Erkennbare relevante praktische Bedeutung hat diese Vorschrift nicht. In Bayern und im Saarland knüpft die Ein- und Austrittsmündigkeit zudem an die Vollendung des 18. Lebensjahres an, so dass die Reichweite der Norm auch durch den persönlichen Anwendungsbereich relativiert wird.

[1] G. v. 15.7.1921, RGBl 1921, 939 i. d. F. des Art. 63 G. v. 17.12.2008, BGBl I, 2586, 2728.
[2] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 79 AO Rz. 19; Mues, in Gosch, AO/FGO, § 79 AO Rz. 34; Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 79 AO Rz. 63; Koenig/Wünsch, AO, 4. Aufl. 2021, § 79 Rz. 17.
[3] Koenig/Wünsch, AO, 4. Aufl. 2021, § 79 Rz. 17; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 79 AO Rz. 19; Mues, in Gosch, AO/FGO, § 79 AO Rz. 34; a. A. Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 79 AO Rz. 63.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge