Rz. 7

§ 46 Abs. 1 AO stellt klar, dass die in der Vorschrift bezeichneten Erstattungs- und Vergütungsansprüche abgetreten, verpfändet und gepfändet werden können[1], ohne diese Begriffe näher zu erläutern. Er setzt deren Bedeutung vielmehr als bekannt voraus und knüpft damit an die entsprechenden Rechtsinstitute des Bürgerlichen Rechts und des Zivilprozessrechts an.[2] Die dort getroffenen Regelungen zu Voraussetzungen, Form und Wirkungen der betreffenden Rechtsakte gelten damit auch für die Abtretung, Verpfändung und Pfändung der in § 46 Abs. 1 AO bezeichneten Ansprüche, soweit sich nicht aus den Vorschriften des § 46 Abs. 2 bis 7 AO Abweichungen ergeben.[3] Abtretung und Verpfändung lassen sich daher als privatrechtliche Rechtsgeschäfte mit öffentlich-rechtlicher Wirkung charakterisieren.[4]

Abtretung, Verpfändung und Pfändung lassen die Rechtsnatur der davon betroffenen Forderungen unberührt. Es handelt sich bei diesen weiterhin um Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis[5], über die nach den Vorschriften der AO zu entscheiden ist. Für Zahlungsklagen des Abtretungsempfängers, Pfand- oder Pfändungsgläubigers ist daher der Finanzrechtsweg gegeben.[6]

[1] Vgl. zum lediglich klarstellenden Charakter der Vorschrift Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 37 AO Rz. 1.
[2] Boeker, in HHSp, AO/FGO, § 46 AO Rz. 19, 81; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 36 AO Rz. 13; Kunz, in Gosch, AO/FGO, § 46 AO Rz. 18; Klein/Ratschow, AO, 15. Aufl. 2020, § 46 Rz. 1; Koenig/Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 46 Rz. 10.
[4] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 46 AO Rz. 16.
[5] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 46 AO Rz. 16.

2.1.1 Abtretung

 

Rz. 8

Unter Abtretung versteht man die Übertragung einer Forderung auf einen anderen. Die Abtretung einer Forderung ist ausgeschlossen, soweit sie der Pfändung nicht unterworfen ist.[1] Diese Einschränkung ist für die Abtretung von Kindergeldansprüchen bedeutsam.[2] Nach § 398 S. 1 BGB setzt die Abtretung einen Vertrag zwischen dem bisherigen und dem neuen Gläubiger voraus, der grundsätzlich keiner bestimmten Form bedarf. Der Grundsatz der Formfreiheit gilt auch für die Abtretung der in § 46 Abs. 1 AO bezeichneten Ansprüche. Das Schriftformerfordernis des § 46 Abs. 3 S. 2 AO bezieht sich nur auf die Anzeige der Abtretung an das FA, nicht auf die Abtretung selbst.

Abweichend von § 398 S. 2 BGB, wonach mit dem Abschluss des Vertrags der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers tritt, wird die Abtretung der in § 46 Abs. 1 AO bezeichneten Erstattungs- und Vergütungsansprüche erst wirksam, wenn sie der zuständigen Finanzbehörde in der nach § 46 Abs. 3 AO vorgeschriebenen Form angezeigt wird.[3]

 

Rz. 9

Als Verfügungsgeschäft über ein bestehendes Recht ist die Abtretung von dem ihr als Rechtsgrund zugrunde liegenden schuldrechtlichen Geschäft (wie Kauf, Schenkung, Geschäftsbesorgung oder Sicherungsvertrag) zu unterscheiden.[4] Dieses Grundgeschäft fällt nicht unter die Vorschriften des § 46 AO, weil es ausschließlich das Rechtsverhältnis zwischen dem Abtretenden und dem Abtretungsempfänger betrifft. Die Abtretung ist nur wirksam, wenn der Abtretende zur Verfügung über die Forderung befugt ist und diese rechtlich besteht. Die Verfügungsbefugnis steht regelmäßig dem Inhaber der Forderung zu. Über Forderungen, die zur Insolvenzmasse gehören, kann nach § 80 Abs. 1 InsO jedoch nur der Insolvenzverwalter verfügen.[5] Ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten oder einer nicht bestehenden Forderung ist ausgeschlossen.[6] Bei einer dennoch geleisteten Erstattung hat das FA gegen den Empfänger der Zahlung einen Rückforderungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO.[7]

 

Rz. 10

Die (wirksame) Abtretung führt im Außenverhältnis zum Schuldner zu einer vollständigen Übertragung der Rechtsposition des bisherigen Gläubigers auf den neuen Gläubiger. Im Innenverhältnis zwischen dem Abtretenden und dem Abtretungsempfänger kann allerdings etwas anderes vereinbart werden. Dies geschieht vor allem im Fall der Sicherungsabtretung, bei der die Sicherungsabrede darüber bestimmt, ob und unter welchen Voraussetzungen der Abtretungsempfänger (Sicherungsnehmer) zu Verfügungen über die abgetretene Forderung, insbesondere zu deren Einziehung befugt ist.[8] Im Rahmen des § 46 AO ist die Unterscheidung zwischen einer uneingeschränkten Abtretung und einer Sicherungsabtretung insofern von Bedeutung, als der geschäftsmäßige Erwerb von Erstattungs- und Vergütungsansprüchen zum Zwecke der Einziehung oder sonstigen Verwertung auf eigene Rechnung nur für die Fälle der Sicherungsabtretung zugelassen ist.[9] Mit der Wirksamkeit der Abtretung ist jede weitere Verfügung (Abtretung oder Verpfändung) des bisherigen Gläubigers über die Forderung unwirksam. Auch eine Pfändung der Forderung durch Gläubiger des bisherigen Gläubigers ist ausgeschlossen.

 

Rz. 11

Von der Abtretung zu unterscheiden ist ein Verrechnungs...

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