Rz. 100

Auch Angehörige und andere einander nahestehende Personen können ihre Rechtsbeziehungen so gestalten, dass möglichst geringe Steuern zu zahlen sind.[1] Wegen des in solchen Nähebeziehungen typischerweise fehlenden Interessengegensatzes liegt die Möglichkeit eines Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten bei ihnen allerdings näher als im Verhältnis zwischen Fremden.[2] Derartige Gestaltungen können z. B. auf eine Verlagerung von Einkunftsquellen mit dem Ziel gerichtet sein, nach § 12 Nr. 2 EStG nicht abziehbare Unterhaltsleistungen in Betriebsausgaben oder Werbungskosten zu verwandeln.[3]

Ob eine Vereinbarung zwischen einander nahestehenden Personen einen Missbrauch i. S. des § 42 AO darstellt oder ob es für sie nachvollziehbare wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe gibt, ist nur aufgrund einer umfassenden Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen.[4] Die Frage eines Gestaltungsmissbrauchs stellt sich allerdings erst dann, wenn die allgemeinen Voraussetzungen für die Anerkennung von Vertragsverhältnissen unter einander nahestehenden Personen erfüllt sind. Vorrang hat daher die Prüfung, ob die Vereinbarungen nach Inhalt und Durchführung einem Fremdvergleich standhalten.[5].

Wer zum Kreis der einander nahestehenden Personen gehört, ist nicht eindeutig definiert. Maßgebend ist, ob unter Berücksichtigung der Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten ein den Gleichklang wirtschaftlicher Interessen indizierendes, den Einzelfall bestimmendes Näheverhältnis angenommen werden kann.[6] In erster Linie in Betracht kommen nahe Angehörige i. S. des § 15 AO, vor allem Eltern, Kinder und Ehegatten, u. U. auch Geschwister oder Enkel[7] Auch geschiedene Ehegatten können einander nahestehende Personen sein.[8] Das Gleiche kann für Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gelten.[9]

[3] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 42 AO Rz. 55; Stöber, in Gosch, AO/FGO, § 42 AO Rz. 121; Klein/Ratschow, AO, 15. Aufl. 2020, § 42 Rz. 121.
[5] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 42 AO Rz. 55; Stöber, in Gosch, AO/FGO, § 42 AO Rz. 122; Klein/Ratschow, AO, 15. Aufl. 2020, § 42 Rz. 122.
[8] Stöber, in Gosch, AO/FGO, § 42 AO Rz. 122; Klein/Ratschow, AO, 15. Aufl. 2020, § 42 Rz. 128.

6.1.1 Gesellschaftsverträge

 

Rz. 101

Bei Gesellschaftsverträgen mit Kindern und Ehegatten ist auch beim Vorliegen außerbetrieblicher Gründe für die Beteiligung kein Gestaltungsmissbrauch gegeben, wenn der Vertrag folgerichtig durchgeführt wird und eine angemessene Gewinnverteilung vorgesehen ist. Ist die Gewinnverteilung unangemessen, kommt ein Gestaltungsmissbrauch in Betracht, insbesondere wenn dies zum Zweck der Gewinnverlagerung geschieht.[1] Die Übertragung der Anteile an einer Grundstücks-GbR durch die Gesellschafter auf ihre Ehegatten ist auch dann nicht rechtsmissbräuchlich, wenn die übertragenden Ehegatten aufgrund des Vertrags unwiderruflich zur Wahrnehmung der Gesellschafterinteressen der empfangenden Ehegatten bevollmächtigt worden sind.[2]

6.1.2 Arbeitsverträge

 

Rz. 102

Die Überlassung eines Dienstwagens zur unbeschränkten und selbstbeteiligungsfreien Privatnutzung des Arbeitnehmers ist im Rahmen eines zwischen Ehegatten geschlossenen geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses fremdunüblich. Auf die Frage, ob die Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses im Hinblick auf das gezielte Zusammenwirken der 1 %-Regelung mit der abgeltenden Pauschalbesteuerung geringfügiger Arbeitsentgelte und wegen der vertraglich eröffneten Möglichkeit einer steuerunbelasteten Privatnutzung durch den Arbeitgeber selbst zur Annahme eines Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts führen könnte, kommt es damit nicht an.[1]

6.1.3 Grundstücksgeschäfte

 

Rz. 103

Wird bei dem Abschluss eines Grundstückskaufvertrags zwischen Angehörigen zugleich die (Rück-)Schenkung des Kaufpreises vereinbart, kann eine missbräuchliche Gestaltung vorliegen, die der steuerlichen Anerkennnung des Anschaffungsvorgangs entgegensteht.[1] Verkaufen Eltern ein Grundstück an ihr Kind und versprechen sie gleichzeitig, ihm einen bestimmten Geldbetrag zu schenken, so kann darin ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten mit der Folge liegen, dass die Aufrechnung mit der Forderung aus dem Schenkungsversprechen gegen die Kaufpreisforderung steuerrechtlich nicht anerkannt wird und dem Erwerber insoweit keine Anschaffungskosten entstehen.[2]

 

Rz. 104

Der Kauf eines bebauten Grundstücks von der betagten Mutter unter Verrechnung des Kaufpreises mit einem gleic...

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