Rz. 50

Nach § 41 Abs. 1 S. 2 AO gilt "dies" nicht, soweit sich aus den Steuergesetzen etwas anderes ergibt. Unter "dies" ist die in dem vorangehenden S. 1 getroffene Regelung zu verstehen, dass die Unwirksamkeit oder das Unwirksamwerden eines Rechtsgeschäfts für die Besteuerung unerheblich ist, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen. Der durch § 41 Abs. 1 S. 2 AO zum Ausdruck gebrachte Vorrang abweichender Regelungen bezieht sich damit auf Fälle, in denen die Unwirksamkeit für die Besteuerung erheblich ist, weil das betreffende Steuergesetz den Eintritt der sich aus ihm ergebenden Rechtsfolgen von der zivilrechtlichen Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts abhängig macht.[1] Für die Annahme, dass § 41 Abs. 1 S. 2 AO die Regelung des S. 1 auch hinter solche Vorschriften zurücktreten lasse, deren Tatbestand allein auf die Verwirklichung tatsächlicher Vorgänge abstelle[2], besteht kein Bedürfnis, weil in diesen Fällen eine von der Regelung des S. 1 abweichende Rechtsfolge von vornherein nicht eintreten kann. Auch mit der Frage, ob die nachträgliche Beseitigung des wirtschaftlichen Ergebnisses des unwirksamen Rechtsgeschäfts auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung zurückwirkt oder nur für die Zukunft Rechtsfolgen entfaltet, hat § 41 Abs. 1 S. 2 AO entgegen einer verbreiteten Ansicht[3] nichts zu tun, weil diese Frage nicht Gegenstand der in S. 1 getroffenen Regelung ist (vgl. Rz. 3).

 

Rz. 51

Von § 41 Abs. 1 S. 1 AO abweichende Sonderregelungen finden sich sowohl im Ertragsteuer- als auch im Umsatzsteuer- und Verkehrsteuerrecht.

So setzt das Vorliegen einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft i. S. der §§ 14 bis 17 KStG den Abschluss eines zivilrechtlich wirksamen Gewinnabführungsvertrags voraus, der insbesondere von der notariell beurkundeten Zustimmung der Gesellschafterversammlung der beherrschten Gesellschaft und der Eintragung des Vertrags in das Handelsregister abhängig ist.[4]

Auch für die umsatzsteuerrechtliche Organschaft triftt § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG von § 41 Abs. 1 S. 1 AO abweichende Regelungen. Für die erforderliche finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft reichen weder formnichtige Anteilsübertragungen noch mündliche Treuhandabreden aus.[5] Poolvereinbarungen sind steuerrechtlich nur in Satzungsform anzuerkennen.[6] Gleiches gilt für "Stimmbindungsvereinbarungen" und "Stimmrechtsvollmachten".[7] Die Begründung der organisatorischen Eingliederung durch einen Beherrschungsvertrag setzt voraus, dass dieser durch Eintragung in das Handelsregister wirksam geworden ist.[8]

Im Bereich der GrESt findet § 41 Abs. 1 S. 1 AO wegen der engen Anknüpfung dieser Steuer an Tatbestände des Zivilrechts nur in Ausnahmefällen Anwendung. Ein gem. § 311b Abs. 1 S. 1 BGB der Beurkundung bedürftiger Vertrag, der jeglicher notarieller Beurkundung ermangelt, kann der Steuer aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG in keinem Fall unterliegen. Denn das "wirtschaftliche Ergebnis" eines "Rechtsgeschäfts, das den Anspruch auf Übereignung begründet", ist nicht etwas Reales, sondern die vertragliche Begründung eines Anspruchs, dessen Bestand und Durchsetzbarkeit auf der Rechtsordnung beruht.[9] Wird bei einem aufschiebend bedingten Grundstückskaufvertrag die Auflassung bereits vor Bedingungseintritt erklärt, entsteht die Steuer ungeachtet der Auflassung erst mit Bedingungseintritt. Die Subsidiarität des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG gegenüber § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und die Regelung über die Steuerentstehung bei aufschiebend bedingten Erwerbsvorgängen in § 14 Nr. 1 GrEStG schließen die Anwendung des § 41 Abs. 1 S. 1 AO aus.[10]

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