Rz. 32

Im Steuerstrafverfahren kann eine Postbeschlagnahme (§§ 99, 100 StPO) erfolgen; zuständig hierfür ist grundsätzlich der Richter (§ 100 Abs. 1 StPO). Bei Gefahr im Verzug kann die Staatsanwaltschaft bzw. die Bußgeld- und Strafsachenstelle (nicht die Fahndung) eine solche Verfügung treffen, die aber dann binnen drei Tagen vom Richter bestätigt werden muss (§ 100 Abs. 2 StPO). Unter die Postbeschlagnahme fällt auch die Beschlagnahme von E-Mails bei einem E-Mail-Provider, die dort bis zu einem ersten oder weiteren Abruf abgespeichert sind.[1] Allerdings verstößt die Anordnung der Beschlagnahme des gesamten auf dem Mailserver des Providers gespeicherten E-Mail-Bestands eines Beschuldigten regelmäßig gegen das Übermaßverbot. Hier muss eine Eingrenzung anhand bestimmter Sender- und Empfängerangaben oder anhand von Suchbegriffen vorgenommen werden. Möglich ist aber auch eine vorläufige Sicherstellung des gesamten Bestands und die daran anschließende Sichtung nach § 110 StPO.[2]

 

Rz. 33

Eine Überwachung des Fernmeldeverkehrs ist im Verfahren wegen Vergehen nach dem Grundtatbestand des § 370 Abs. 1 AO regelmäßig ausgeschlossen, weil die einfache Steuerhinterziehung keine der in § 100a StPO abschließend aufgeführten Katalogtaten darstellt. Sofern jedoch wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB) ermittelt wird und die Bildung der Vereinigung zu dem Zweck erfolgte, Steuerhinterziehungen zu begehen, ist gem. § 100a Nr. 1c StPO eine Telefonüberwachung zulässig.[3] Durch das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG v. 21.12.2007[4] ist jedoch die als besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung strafbare bandenmäßige Hinterziehung von Umsatz- oder Verbrauchsteuern nach § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 5 AO in den Katalog des § 100a Abs. 2 Nr. 2a StPO aufgenommen worden.[5] Ergeben sich anlässlich einer Telefonüberwachung wegen einer Katalogtat nach § 100a StPO Hinweise auf bzw. Beweise für Steuerstraftaten, so können diese Zufallsfunde nicht direkt für die Steuerstraftat, sondern nur im Rahmen einer weiteren Katalogtat verwertet werden.[6] Allerdings entfaltet dieses Verwertungsverbot keine Fernwirkung. Die Ermittlungsbehörden können aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse weitere Ermittlungen anstellen.[7] Entdeckt die Polizei z. B. im Rahmen eines Verfahrens wegen § 129 StGB auch an der kriminellen Vereinigung nicht beteiligte Personen, die ihrerseits gegen § 370 AO verstoßen haben, so darf die Steuerfahndung diese Erkenntnisse auswerten und weiterführende Ermittlungen vornehmen; die so beschafften Beweismittel können ohne Weiteres in eine Hauptverhandlung eingeführt werden. Nach dem mit dem JStG 2008 v. 20.12.2007[8] neu eingefügten § 393 Abs. 3 AO dürfen Erkenntnisse, die die Finanzbehörde oder die Staatsanwaltschaft rechtmäßig im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen gewonnen hat, im Besteuerungsverfahren verwendet werden. Dies gilt auch für Erkenntnisse, die dem Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis unterliegen, soweit die Finanzbehörde diese rechtmäßig im Rahmen eigener strafrechtlicher Ermittlungen gewonnen hat oder soweit nach der StPO Auskunft an die Finanzbehörde erteilt werden darf.[9]

 

Rz. 34

Keine Überwachung des Fernmeldeverkehrs i. S. d. § 100a StPO ist die sog. Hörfalle, bei der eine Privatperson auf Veranlassung der Ermittlungsbehörden ein Telefongespräch mit dem Beschuldigten führt, damit dieser in dem vermeintlich privaten Gespräch zum Tatvorwurf befragt werden kann, während seine Äußerungen unmittelbar von der Polizei mitgehört werden.[10] Einer richterlichen oder staatsanwaltschaftlichen Anordnung bedarf es dazu nicht[11], denn es handelt sich nicht um eine Vernehmung.[12] Daher liegt weder ein Verstoß gegen § 136a StPO vor noch gegen den nemo-tenetur-Grundsatz. Der Große Senat hat jedoch die Zulässigkeit und Verwertbarkeit der Hörfallen auf schwere Delikte beschränkt, wenn diese mit anderen Methoden nur weniger erfolgreich aufgeklärt werden könnten.[13]

Demnach muss eine Abwägung erfolgen zwischen dem Interesse des Staates an der Aufklärung eines schweren Delikts auf der einen Seite und den Interessen des Beschuldigten auf der anderen Seite. Ein schweres Delikt liegt in der Regel vor, wenn Gegenstand des Verfahrens eine Steuerstraftat aus dem Katalog nach § 100a Abs. 2 Nr. 2 StPO ist; dazu gehören bandenmäßige Hinterziehung von Umsatz- oder Verbrauchssteuern, gewerbsmäßiger, gewaltsamer und bandenmäßiger Schmuggel nach § 373 AO und Steuerhehlerei nach § 374 Abs. 2 AO.

[2] BGH v. 24.11.2009, StB 48/09 (a), wistra 2010, 230
[3] Ebenso Joecks, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 399 AO Rz. 105.
[4] BGBl I 2007, 3198.
[5] Dazu Bittmann, wistra 2010, 125f.
[6] § 100b Abs. 5 StPO a. F.; jetzt "hinter die Klammer gezogen" in § 477 Abs. 2 S. 2 StPO (vgl. Klaproth, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 393 AO Rz. 65a f.), geändert durch Gesetz...

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