2.1 Prüfungsumfang der Finanzbehörde

 

Rz. 5

Die Voraussetzungen und Grenzen für den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls ergeben sich aus § 400 AO und aus §§ 407ff. StPO. Die Finanzbehörde prüft nicht nur, ob die Sache für eine Erledigung im Strafbefehlswege geeignet ist und ob die Ermittlungen genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage bieten. Vielmehr muss die Finanzbehörde prüfen, ob nach ihrer Auffassung die weiteren Voraussetzungen der §§ 407ff. StPO vorliegen. Zwar binden diese Vorschriften für den Erlass des Strafbefehls nur das Gericht. Allerdings wird die Finanzbehörde die Voraussetzungen ebenfalls prüfen, um eine von vornherein absehbar ablehnende Entscheidung des Gerichts zu vermeiden. Insbesondere prüft die Finanzbehörde vor Stellung des Antrags, dass nicht bereits Strafklageverbrauch eingetreten und die Tat nicht anderweitig rechtshängig ist.

2.2 Eignung zur Behandlung im Strafbefehlsverfahren

2.2.1 Allgemeines

 

Rz. 6

Das Gericht erlässt einen Strafbefehl nur dann, wenn es sich bei der zu ahndenden Tat um ein Vergehen handelt.[1] Vergehen sind solche Taten, die im Mindestmaß mit einer Freiheitsstrafe von unter einem Jahr oder mit Geldstrafe bedroht sind.[2] Dabei bleiben Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind, für die Einteilung außer Betracht.[3] Somit handelt es sich bei Steuerstraftaten i. S. d. § 369 AO stets um Vergehen, da die Freiheitsstrafe nach §§ 370 Abs. 1, 372 AO und § 374 AO im Mindestmaß nicht ein Jahr beträgt.

Die Strafsache soll tatsächlich und rechtlich so einfach gelagert sein, dass das Gericht bei summarischer Prüfung zu einem hinreichenden Tatverdacht gelangt. Ungeeignet sind daher Verfahren, die tatsächlich noch nicht aufgeklärt sind.[4] Auch aus spezial- oder generalpräventiven Gründen kann die Erhebung einer Anklage durch die Staatsanwaltschaft angezeigt sein, so beispielsweise bei Wiederholungstätern oder bei Straftaten, die das Vertrauen der Öffentlichkeit in die wirtschaftliche Ordnung erschüttern können oder eine Aufklärung im Rahmen einer öffentlichen Hauptverhandlung erfordern.

 

Rz. 7

Kündigt der Beschuldigte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens an, er werde gegen einen Strafbefehl Einspruch einlegen oder bestreitet er im Rahmen der abschließenden Vernehmung die Tat, so hindert dies die Bußgeld- und Strafsachenstelle nicht daran, den Erlass eines Strafbefehls beim Gericht zu beantragen.[5]

[4] Wohl aber können einfach gelagerte Teile einer umfangreichen Strafsache im Rahmen der StPO abgetrennt und separat ein Strafbefehl beantragt werden.
[5] Nr. 84 Abs. 3 AStBV (St) 2023, Nr. 175 Abs. 3 S. 2 RiStBV.

2.2.2 Strafbefehl gegen Jugendliche und Heranwachsende

 

Rz. 8

Die Sache eignet sich nicht zur Erledigung im Strafbefehlsverfahren, wenn der Beschuldigte zum Zeitpunkt der Tat als Jugendlicher noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet hat.[1] In der Praxis kommt es ausgesprochen selten zu einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen Jugendliche, da die Steuererklärungspflicht grundsätzlich die gesetzlichen Vertreter, also i. d. R. die Eltern trifft.[2] Gibt der Jugendliche dennoch eine eigenhändig unterschriebene Steuererklärung ab, ohne dass er dazu berechtigt ist, so ist diese i. d. R. formunwirksam und damit nicht kausal für eine Steuerverkürzung. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann sich dann ergeben, wenn der Jugendliche mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters und des Familiengerichts einen selbstständigen Erwerbsbetrieb führt. Etwas anderes kann gelten, wenn der Jugendliche zum Zwecke der Auszahlung einer (Vor-)Steuer über sein Alter und den Auszahlungsgrund täuscht.

In der Praxis häufiger sind solche Fälle, in denen der Beschuldigte zur Tatzeit zwar volljährig war, aber das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte.[3] Bei den Heranwachsenden werden das Erwachsenenstrafrecht und damit die Regularien über den Erlass eines Strafbefehls nur angewandt, wenn sie in ihrer geistigen und persönlichen Entwicklung einem Erwachsenem gleichstehen und die Tat nicht eine Jugendverfehlung darstellt.[4] Die Beurteilung dieser Voraussetzungen bedarf besonderer Fachkenntnisse, die in den Bußgeld- und Strafsachenstellen nicht vorhanden sind.[5] Daher sind Strafverfahren, die gegen einen Jugendlichen oder Heranwachsenden geführt werden, umgehend an die Staatsanwaltschaft abzugeben.[6] Sie eignen sich nicht zur Erledigung im Strafbefehlswege.

Beantragt die Finanzbehörde dennoch den Erlass eines Strafbefehls und erlässt das Gericht diesen wie beantragt, so führt dies nicht zur Unwirksamkeit.[7] Allerdings ist in diesem Fall i. d. R. ein Wiederaufnahmegrund gegeben.[8]

[2] Heuermann, in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 25 EStG, Rz. 71.
[5] Tormöhlen, in HHSp, AO/FGO, § 400 AO Rz. 22.
[6] Nr. 22 Abs. 1 Nr. 7, Nr. 154 AStBV (St) 2023.
[7] Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 69. Aufl. 2022, § 407 StPO Rz. 3.
[8] ...

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