Rz. 77

§ 398a AO enthält keine Regelungen zu den Rechtsschutzmöglichkeiten im Hinblick auf

  • die Festsetzung des zu zahlenden Geldbetrags,
  • die Fristsetzung zur Zahlung,

Grundsätzlich ist bzgl. der Wahl des Rechtsweges davon auszugehen, dass § 398a AO als Einstellungsvorschrift und Strafverfolgungshindernis allein einen strafprozessualen Charakter hat (vgl. Rz. 4ff.), sodass die allgemeinen strafprozessualen Rechtsschutzmöglichkeiten anwendbar sind.[1] Daraus kann jedoch noch nicht abgeleitet werden, dass in jedem Fall auch das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses zu bejahen ist.

 

Rz. 77a

So ist umstritten, ob der Stpfl. durch freiwillige Zahlung sein Rechtsschutzbedürfnis verliert.[2] Dazu kann es in jedem Fall kommen, in dem der Stpfl. Einwendungen gegen die Festsetzung des Zuschlags nach § 398a Abs. 1 Nr. 2 AO geltend machen will. Würde er von der Zahlung des festgesetzten Zuschlags (zunächst) absehen und würde in der Folge – nach Ablauf der Frist zur Zahlung des Geldbetrags – festgestellt werden, dass nach Ansicht des Gerichts seine Einwendungen nicht gerechtfertigt sind und somit die Zahlung nach § 398a Abs. 1 Nr. 2 AO erforderlich war, so hätte der Stpfl. seinen Anspruch auf Verfahrenseinstellung in jedem Fall wegen der dann unterbliebenen fristgemäßen Zuschlagszahlung verloren. Dies ergibt sich daraus, dass die Zahlung nach § 398a Abs. 1 Nr. 2 AO nach Fristablauf im weiteren Strafverfahren nicht mehr nachgeholt werden kann und dem Rechtsbehelf nach allgemeiner Meinung kein Suspensiveffekt zukommt. Auch eine Zahlung des zusätzlichen Geldbetrags "unter Vorbehalt" führt zu keiner anderen Beurteilung, da ein entsprechendes Vorgehen gesetzlich nicht vorgesehen ist und der Vorbehalt keine rechtliche Wirkung entfaltet.[3] Der Stpfl. hat somit, in einem ersten Schritt, nur die Möglichkeit, einen Fristverlängerungsantrag innerhalb der noch laufenden (Ursprungs-)Frist mit der Begründung zu stellen, dass die gesetzte Frist nicht angemessen sei. Wird die Frist jedoch nicht (ausreichend) verlängert, so kann der Stpfl., wenn er seinen Rechtsanspruch auf Verfahrenseinstellung nicht aufs Spiel setzen will, nur noch zunächst den Zuschlag zahlen und in der Folge Rechtsmittel einlegen. Folglich handelt es sich bei diesem Vorgehen nicht um "widersprüchliches Verhalten" oder gar eine Form von "missbräuchlicher Rosinenpickerei"[4], sondern schlichtweg um das einzige, im Hinblick auch auf die verfassungsrechtliche Rechtsschutzgarantie angezeigte und sinnvolle Verhalten des Stpfl. Anderenfalls wäre eine gerichtliche Überprüfung der Festsetzung des Zuschlags i. S. d. § 398a Abs. 1 Nr. 2 AO faktisch ausgeschlossen.[5]

[1] Ebenso Klein/Jäger, AO, 15. Aufl. 2020, § 398a Rz. 45; Hunsmann, in Rolletschke/Kemper, Steuerstrafrecht, § 398a AO Rz. 247; vgl. auch Kohler, in MüKo StGB, Bd. 7, 3. Aufl. 2019, § 398a AO Rz. 31; LG Aachen v. 27.8.2014, 86 Qs 11/14, wistra 2014, 493.
[2] Dies bejahen LG Stuttgart v. 30.6.2017, 10 Qs 2/17; Hunsmann, in Rolletschke/Kemper, Steuerstrafrecht, § 398a AO Rz. 248; Klein/Jäger, AO, 15. Aufl. 2020, § 398a AO Rz. 46; Roth, wistra 2019, 399, 400f.
[3] A. A. wohl LG Köln v. 6.1.2020, 116 Qs 7/19, wistra 2020, 349.
[4] So aber Roth, wistra 2019, 399, 400.
[5] LG Köln v. 6.1.2020, 116 Qs 7/19, wistra 2020, 349; LG Hamburg v. 20.3.2017, 620 Qs 10/17, wistra 2017, 284 (285) mit Anm. Webel; LG Aachen v. 27.8.2014, 86 Qs 11/14, wistra 2014, 493; Beckemper, in HHSp, AO/FGO, 263. Lfg. 6/2021, § 398a AO Rz. 85f.; Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, 166. Lfg. 5/2021, § 398a AO Rz. 26; Carlé, AO-StB 2019, 123, 124f.; Webel, PStR 2020, 191f.

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