Rz. 22

Nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO ist ein Wirtschaftsgut einem anderen als dem (zivilrechtlichen) Eigentümer zuzurechnen, wenn dieser die tatsächliche Herrschaft darüber in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. Mit dieser Formel hat sich das Gesetz die Umschreibung des wirtschaftlichen Eigentums in der Leasing-Rspr. des BFH[1] zu eigen gemacht. Da die allgemeine Definition des wirtschaftlichen Eigentums eine Vielzahl ungleichartiger zivilrechtlicher Rechtslagen umfasst, die Nichteigentümern eine eigentumsähnliche Rechtsposition verschaffen, erfordert die Anwendung der Vorschrift nach Ansicht des BFH die Bildung von Fallgruppen und eine wertende Zuordnung.[2] Der dagegen erhobene Einwand, die Bildung von Fallgruppen habe zu Rechtsunsicherheit geführt und den Begriff des wirtschaftlichen Eigentums zu einem Typusbegriff verändert[3], greift u. E. nicht durch. Wegen der Unterschiedlichkeit der rechtlichen Gestaltungen, in denen sich die Frage nach dem wirtschaftlichen Eigentum stellt, ist es aus Gründen der Praktikabilität und der Vorhersehbarkeit der Entscheidung geradezu unerlässlich, die Gesichtspunkte, nach denen sich die Beurteilung der einzelnen Tatbestandsmerkmale der Vorschrift richtet, unter Berücksichtigung der Art des jeweils betroffenen Wirtschaftsguts für die praktisch bedeutsamsten Anwendungsfälle zu konkretisieren. Nur auf diese konkretisierenden Gesichtspunkte, nicht auf die Tatbestandsmerkmale des § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO selbst, bezieht sich die in der Rspr. des BFH wiederkehrende Aussage, dass wirtschaftliches Eigentum auch dann anzunehmen sein könne, wenn die von der Rspr. entwickelten Voraussetzungen nicht in vollem Umfang erfüllt seien.[4] Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob wirtschaftliches Eigentum vorliegt, ist das Gesamtbild der Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall.[5] Dabei ist nicht das formal Erklärte oder formal-rechtlich Vereinbarte, sondern das wirtschaftlich Gewollte und das tatsächlich Bewirkte ausschlaggebend.[6]

 

Rz. 23

Die vom bürgerlich-rechtlichen Eigentum abweichende Zurechnung an den wirtschaftlichen Eigentümer setzt regelmäßig voraus, dass diesem durch vertragliche Vereinbarung oder aus anderen Gründen unter Begrenzung der formalen äußeren Rechtsmacht des zivilrechtlichen Eigentümers im Innenverhältnis[7] Befugnisse gegeben sind, die den bürgerlich-rechtlichen Eigentümer für die gewöhnliche Nutzungsdauer wirtschaftlich von der Einwirkung ausschließen.[8]

Rz. 24–25 einstweilen frei.

4.1.1 Ausschluss für die gewöhnliche Nutzungsdauer

 

Rz. 26

Ebenso wie für das rechtliche ist auch für das wirtschaftliche Eigentum eine zeitlich unbegrenzte Herrschaft über das Wirtschaftsgut wesensmäßig. Ihre tatsächliche Grenze findet diese Herrschaft allerdings in der Lebensdauer des Wirtschaftsguts selbst.[1] Aus diesem Grund macht § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO die Annahme wirtschaftlichen Eigentums davon abhängig, dass der (rechtliche) Eigentümer für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausgeschlossen ist. Die darin liegende Einschränkung ist nur für abnutzbare Wirtschaftsgüter von Bedeutung. Nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter wie Grund und Boden, Anteile an Kapitalgesellschaften und Umlaufvermögen haben keine gewöhnliche Nutzungsdauer.[2] In ihrem Fall muss sich der Ausschluss auf den gesamten Zeitraum bis zum tatsächlichen oder rechtlichen Untergang des Wirtschaftsguts beziehen.

Der Ausschluss des zivilrechtlich Berechtigten von der Sachherrschaft für eine lange, unbestimmte Zeit reicht dazu nicht aus.[3]

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