Rz. 19

Die selbstständige Ermittlungskompetenz mit staatsanwaltschaftlicher Rechtsqualität wird für die Finanzbehörde nach § 386 Abs. 2 Nr. 1 AO nur dann begründet, wenn sich aufgrund des Lebenssachverhalts der Verdacht einer Straftat ergibt, die ausschließlich eine Steuerstraftat i. S. v. § 369 Abs. 1 AO bzw. eine rechtlich gleichgestellte Straftat ist.

Durch den die Tat bildenden Lebenssachverhalt können ein oder mehrere Straftatbestände verwirklicht sein. Hierbei ist es unerheblich, ob dieses Konkurrenzverhältnis als Tateinheit[1] oder Tatmehrheit[2] zu qualifizieren ist.[3] § 386 Abs. 2 Nr. 1 AO erfordert nur, dass sämtliche in Betracht kommenden Straftatbestände als Steuerstraftaten i. d. S. zu qualifizieren sind. Ist auch nur ein allgemeiner Straftatbestand gegeben, so wird – sofern nicht die Voraussetzungen des § 386 Abs. 2 Nr. 2 AO erfüllt sind – die selbstständige Ermittlungskompetenz nicht begründet, sondern die Finanzbehörde hat nur die allgemeine Ermittlungskompetenz und ist lediglich Ermittlungsorgan der Staatsanwaltschaft.

Ergibt sich der Tatverdacht der allgemeinen Straftat erst im Lauf der finanzbehördlichen Ermittlungen, so entfällt die selbstständige Ermittlungskompetenz kraft Gesetzes.[4]

 

Rz. 19a

In diesem vielschichtigen System der Zuständigkeiten ist für den Betroffenen nicht immer eindeutig erkennbar, ob die Aufgabe in die staatsanwaltschaftliche Kompetenz der Finanzbehörde oder der Staatsanwaltschaft zufällt. Ebenso lässt sich ohne dezidierte Kenntnisse nicht stets eindeutig zuordnen, ob das gesetzliche Kompetenzsystem zutreffend beachtet worden ist. Daher begründen Zweifelsfälle darüber, ob die handelnde Finanzbehörde anstelle der Staatsanwaltschaft zuständig ist, einen schwierigen Fall i. S. d. § 140 Abs. 2 StPO. In der Folge ist auf Antrag oder von Amtswegen ein Pflichtverteidiger zu bestellen.[5] Dies gilt jedoch nur, wenn die Finanzbehörde tätig wird, ohne die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Im umgekehrten Fall ist die Staatsanwaltschaft ohnehin stets die zutreffende Ermittlungsbehörde.

[4] Randt, in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 386 AO Rz. 26.
[5] LG Freiburg v. 18.8.2015, 8 Qs 7/15, StV 2016, 487.

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