2.1 Geltung allgemeiner Gesetze

 

Rz. 3

Strafverfahren i. S. d. §§ 385ff. AO ist das gesamte Steuerstrafverfahren, angefangen vom Vorverfahren bis zum Abschluss des Strafvollstreckungsverfahrens.[1] Das Strafverfahren beginnt, sobald es eingeleitet ist. Dafür ist keine schriftliche Einleitungsverfügung erforderlich. Vielmehr reicht es aus, dass eine Strafverfolgungsbehörde eine Maßnahme trifft, die erkennbar darauf abzielt, gegen jemanden wegen einer Steuerstraftat strafrechtlich vorzugehen.[2] Zur Einleitung befugt ist grundsätzlich jeder Bedienstete der Finanzbehörde. Daher liegt bei solchen Maßnahmen, die die Voraussetzungen des § 397 AO erfüllen und durch einen Außenprüfer im Rahmen einer Außenprüfung erfolgen, bereits eine Einleitung vor.[3] Vor der Einleitung ergeben sich die Befugnisse der Finanzbehörde im Wesentlichen aus der AO. Der Begriff der Steuerstraftat wird durch § 369 Abs. 1 AO bestimmt.[4] Dazu gehören auch Anstiftung[5] und Beihilfe[6] zu solchen Taten sowie die Begünstigung gem. § 257 StGB. Dies ergibt sich aus dem Verweis in § 369 Abs. 2 AO. Nicht zum Strafverfahren gehören Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO. Die Rechte und Pflichten des Betroffenen in diesem Verfahren richten sich allein nach der AO. Bei Streitfragen in diesem Fall ist der Finanzrechtsweg gegeben.[7]

[3] Rolletschke, Steuerstrafrecht, 4. Aufl. 2012, Rz. 703.

2.2 Steuergeheimnis

 

Rz. 4

Trotz des Verweises in Abs. 1 auf die Geltung der allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren gilt im Steuerstrafverfahren das Steuergeheimnis nach § 30 AO.[1] Danach dürfen Amtsträger, denen die Verhältnisse eines anderen im Rahmen eines Verfahrens bekannt geworden sind, diese nicht unbefugt offenbaren.[2] Zu den geschützten Verhältnissen eines anderen gehören die steuerlichen und strafrechtlichen Ermittlungsergebnisse der Steuerfahndung und der Bußgeld- und Strafsachenstelle sowie der Inhalt der Ermittlungsakten, die bei der Staatsanwaltschaft geführt werden.[3] Allerdings sieht § 30 Abs. 4 AO einen Katalog an Offenbarungsbefugnissen vor.

[1] Hanseatisches OLG v. 24.8.1995, 2 VAs 7/95, wistra 1995, 356, Hellmann, in HHSp, AO/FGO, § 399 AO Rz. 49, a. A. OLG Celle v. 20.11.1989, 1 VAs 10/89, NJW 1990, 1802.
[3] VG Augsburg v. 29.1.2014, Au 7 E 13.2018, ZUM-RD 2014, 322, Rz. 61ff.

2.2.1 Akteneinsicht des Verteidigers

 

Rz. 5

Über den Verweis auf die allgemeinen Gesetze gilt im Strafverfahren das Akteneinsichtsrecht des Verteidigers nach § 147 StPO. Es ist Ausfluss des Grundsatzes der Fairness im Strafverfahren.[1] Der Anspruch auf Akteneinsicht steht grundsätzlich nur dem Verteidiger zu und dies erst nach Abschluss der Ermittlungen.[2] Ob eine Akteneinsicht bereits im laufenden Ermittlungsverfahren gewährt wird, hängt davon ab, ob dadurch der Ermittlungszweck gefährdet würde.[3]

Allerdings gilt das Akteneinsichtsrecht nach § 147 StPO nach Abschluss der Ermittlungen nicht grenzenlos.[4] Bei der Gewährung der Akteneinsicht überprüfen die Strafverfolgungsbehörden, inwieweit das Steuergeheimnis Dritter berührt wird. Daher ist im Einzelfall zu prüfen, ob allein Steuerdaten des Beschuldigten betroffen sind. In diesem Fall steht dessen Verteidiger ein vollständiges Akteneinsichtsrecht zu. Sofern die Steuerdaten Dritter betroffen sind, ist eine Abwägung zwischen dem Interesse des Beschuldigten an einer umfassenden Verteidigung und dem Geheimhaltungsinteresse des Dritten vorzunehmen. Die Steuerdaten eines Mitbeschuldigten sind daher für eine umfassende Verteidigung zu offenbaren, während die Steuerdaten unbeteiligter Dritter i. d. R. geheimzuhalten sind.[5] Dies erfolgt durch Schwärzung der entsprechenden Aktenbestandteile oder durch kenntlich gemachte Herausnahme einzelner Blätter aus der Ermittlungsakte.

[1] Art. 6 EMRK, EuGHMR v. 10.12.2013, 53792/09, 11320/13.
[2] Laufhütte, in KK-StPO, 7. Aufl. 2013, § 147 StPO Rz. 2.
[4] A. A. LG Frankfurt v. 29.6.2005, 5/2 AR 3/2005, StraFo 2005, 379, Müller-Jacobsen/Peters, wistra 2009, 458, beide gehen davon aus, dass es sich bei § 147 StPO um ein Gesetz i. S. d. § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO handelt.
[5] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 30 AO, Rz. 70.

2.2.2 Preisgabe der Daten über einen Informanten

 

Rz. 6

Vom Schutz des Steuergeheimnisses umfasst sind Hinweise auf einen Informanten der Finanzbehörde, insbesondere einen Anzeigenerstatter.[1] Dieser Schutz erfasst sowohl den Namen des Informanten als auch Hinweise auf seine Identität, also der wortgenaue Inhalt einer schriftlichen Anzeige oder Schriftproben.[2] Dies gilt allerdings nur in den Fällen, in denen die preisgegebenen Informationen zutreffend sind. Anderenfalls ist das Interesse des Angezeigten an der Preisgabe der Identität höher zu bewerten als der Schutz des Informanten.

 

Rz. 7

Diese für das Verwaltungsverfahren geltende Regelung gilt grundsätzlich auch für das Strafverfahren.[3] Wegen der erforderlichen Schutzgüterabwägung der widerstreitenden Interessen vor der Gewährung der Akteneinsicht kommt es im Rahmen des § 147 St...

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