4.1 Leichtfertigkeit

 

Rz. 14

Subjektiv setzt § 378 AO leichtfertiges Handeln voraus. Der Begriff der Leichtfertigkeit ist vom Gesetzgeber nicht definiert worden, sodass es in Rechtsprechung und Literatur zahlreiche Definitionsansätze gibt.[1] Es besteht allerdings Einigkeit darüber, dass es sich bei Leichtfertigkeit um einen erheblichen Grad an Fahrlässigkeit handelt, der in etwa der groben Fahrlässigkeit des bürgerlichen Rechts entspricht, aber eine Berücksichtigung der persönlichen Fähigkeiten des Täters erfordert.[2] Allgemein kann man davon ausgehen, dass Leichtfertigkeit vorliegt, wenn der Stpfl. die allgemeinen Sorgfaltsregeln bei der Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten gröblich missachtet hat.[3] Folglich muss dem Täter sein Verhalten besonders vorzuwerfen sein, weil er nach seinen individuellen Fähigkeiten und Kenntnissen den Erfolg leicht hätte vorhersehen und ihn folglich auch leicht hätte vermeiden können. Der Täter lässt unbeachtet, was jedem hätte einleuchten müssen. Er handelt, obwohl sich ihm aufdrängen musste, dass es dadurch zu einer Steuerverkürzung kommen wird.[4]

 

Rz. 15

Im Gegensatz dazu hält der Täter beim Eventualvorsatz die Steuerverkürzung noch für möglich und nimmt sie billigend in Kauf.[5] Handelt er hingegen fahrlässig, so bezieht er die Folge der fahrlässigen Begehung nicht in seinen Willen ein. Ob er die mögliche Folge überhaupt erkennt (bewusste Fahrlässigkeit), oder nicht (unbewusste Fahrlässigkeit) ist rechtlich ohne Bedeutung, auch wenn im Fall der bewussten Fahrlässigkeit eher leichtfertiges Verhalten vorliegen wird.[6]

 

Rz. 16

Aufgrund des Verhältnisses zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit wird § 378 AO in der Praxis häufig als Auffangtatbestand zu § 370 AO in den Fällen angewandt, in denen der Vorsatz des Täters nicht nachweisbar ist.[7] Es ist allerdings erforderlich, ausdrücklich leichtfertiges Verhalten festzustellen. Folglich ist in dem Fall, dass § 370 AO nicht eingreift, weil Vorsatz nicht festgestellt werden kann, eine weitere Prüfung durchzuführen, ob eine leichtfertige Steuerverkürzung i. S. d. § 378 AO vorliegt.

[1] Rolletschke, in Rolletschke/Kemper, Steuerstrafrecht, § 378 AO Rz. 22ff.
[6] Heerspink, in Flore/Tsambikakis, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2016, § 378 AO Rz. 62.
[7] BGH v. 8.9.2011, 1 StR 38/11, BFH/NV 2011, 2221; BGH v. 13.1.1988, 3 StR 450/87, wistra 1988, 196; Heerspink, in Flore/Tsambikakis, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2016, § 378 AO Rz. 1; Klein/Jäger, AO, 13. Aufl. 2016, § 378 Rz. 1.

4.2 Leichtfertigkeit des Steuerpflichtigen

 

Rz. 17

Den unterschiedlichen Definitionsansätzen kommt in der Praxis allerdings nur eine untergeordnete Bedeutung zu, da die Feststellung von Leichtfertigkeit unter umfassender Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls dem Tatrichter obliegt.[1] Insoweit wäre z. B. zu berücksichtigen, dass das Fehlen einer Einnahme von 20.000 EUR einem Kleinunternehmen i. d. R. auffallen muss, nicht hingegen in einem Großbetrieb. Die korrekte Behandlung eines komplexeren Steuervorgangs ist hingegen eher von der Steuerabteilung eines Großbetriebs als von einem Einzelunternehmer ohne entsprechende fachliche Hilfe zu erwarten. Darüber hinaus muss ein versierter Kaufmann mit den wesentlichen Steuergesetzen vertraut sein[2] und ist daher anders zu beurteilen als ein einfacher Stpfl., der wiederum anders zu beurteilen ist als ein Steuerberater, der noch höheren Sorgfaltsanforderungen zu genügen hat.[3] Das zentrale Problem der Feststellung der Leichtfertigkeit ist somit die tatrichterliche Zuordnung des konkret einzuhaltenden Sorgfaltsmaßstabs sowie die Frage, ob die Person nach ihren individuellen Fähigkeiten und Kenntnissen in der Lage war, diesen Maßstäben gerecht zu werden. Insoweit besteht in der Rechtsanwendung die Gefahr, dass bei einem Fachmann ein zu strenger und bei einem Laien ein zu milder Maßstab angelegt wird.[4]

 

Rz. 18

Da die Feststellung, ob ein Verhalten im konkreten Fall einfach fahrlässig und damit straflos oder leichtfertig und damit ordnungswidrig ist, stark von der tatrichterlichen Entscheidung geprägt ist, können insoweit statt einer allgemeingültigen Formel lediglich kasuistische Hinweise gegeben werden.[5]

 

Rz. 19

Erstellt der Stpfl. z. B. selbst die Buchführung so unsorgfältig, dass erkennbar ist, dass Einnahmen und/oder Ausgaben nur unvollständig erfasst sind, spric...

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