Rz. 50

Nach allgemeinen Grundsätzen der Konkurrenzlehre verdrängt der Erfolgstatbestand des § 378 AO die Gefährdungstatbestände der §§ 379382 AO, was den (überflüssigen) Regelungen in § 379 Abs. 4, § 380 Abs. 2, § 381 Abs. 2 und § 382 Abs. 3 AO entspricht.

Gegenüber tateinheitlich begangenen Straftaten[1] ist die Ordnungswidrigkeit des § 378 AO jedoch gem. § 377 Abs. 2 AO i. V. m. § 21 Abs. 1 S. 1 OWiG subsidiär. Dasselbe gilt bei einer einheitlichen Tat, die teilweise vorsätzlich[2] und zum anderen Teil leichtfertig begangen wurde. Die Leichtfertigkeit ist dann (lediglich) im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen.[3] Zur Möglichkeit des Wiederaufgreifens für den Fall, wenn das Vorliegen einer Straftat nachträglich erkannt wird, vgl. Vor §§ 409–412 AO Rz. 23.

 

Rz. 51

Führt der Täter durch sein Verhalten die Verkürzung mehrerer Steuerarten herbei, so liegt Tateinheit[4] vor.

Handelt der Täter mehrfach leichtfertig, so handelt es sich um einen Fall der Tatmehrheit.[5] Im Gegensatz zum Strafrecht, in dem gem. § 53 StGB eine Gesamtstrafe gebildet wird, wird im Ordnungswidrigkeitenrecht für jede einzelne Handlung eine gesonderte Geldbuße verhängt (sog. Kumulationsprinzip).[6]

 

Rz. 52

Neben den allgemeinen Konkurrenzregeln gab es im Ordnungswidrigkeitenrecht für Taten, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, die Figur der sog. Dauerordnungswidrigkeit. Eine Dauerordnungswidrigkeit wurde angenommen, wenn ein unverändert über längere Zeit andauernder Zustand die einheitliche Fehlerquelle für einen mehrfachen Gesetzesverstoß bildete. Diese fortwirkende Fehlerquelle verknüpfte danach alle Gesetzesverstöße zu einer Tat.[7]

Die Entscheidungen des BGH[8], durch die das für das Strafrecht anwendbare (der Dauerordnungswidrigkeit entsprechende) Institut des Fortsetzungszusammenhangs aufgegeben wurde, haben jedoch auch Auswirkungen auf die Beurteilung von Steuerordnungswidrigkeiten. Auch im Ordnungswidrigkeitenrecht kann nicht mehr an der Figur der Dauerordnungswidrigkeit festgehalten werden.[9] Daraus folgt, dass nur die Möglichkeit besteht, ggf. eine natürliche Handlungseinheit anzunehmen, wenn z. B. der Täter sich eines dauerhaft unachtsamen Gesamtverhaltens schuldig gemacht hat, aus dem mehrere bei gehöriger Aufmerksamkeit voraussehbare Gesetzesverletzungen von selbst ohne weiteres Zutun des Täters entsprungen sind.[10]

 

Rz. 53

Sollte man hingegen das Institut der Dauerordnungswidrigkeit entgegen der hier vertretenen Ansicht weiterhin anwenden, so kann eine solche Dauerordnungswidrigkeit auch veranlagungsübergreifend wirksam sein, z. B. wenn sich ein und derselbe Irrtum über mehrere Veranlagungszeiträume auswirkt.[11] Darüber hinaus kann eine Dauerordnungswidrigkeit sowohl durch Handeln (= leichtfertig zu wenig erklärt) als auch durch Unterlassen (= leichtfertig nichts erklärt) begangen werden, wenn der Fehler (= leichtfertige Verkennung der Steuerpflichtigkeit) eine nahezu automatische Nichtberücksichtigung bedingt.[12]

[1] Insb. § 370 AO.
[3] OLG Celle v. 6.4.2016, 2 Ss 15/16; Gürtler, in Göhler, OWiG, 16. Aufl. 2012, § 21 OWiG Rz. 12; Bülte, in HHSp, AO/FGO, § 378 AO Rz. 129; Heuel, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 378 AO Rz. 159.
[6] Gürtler, in Göhler, OWiG, 16. Aufl. 2012, § 20 OWiG Rz. 2.
[7] Gürtler, in Göhler, OWiG, 16. Aufl. 2012, Vor § 19 OWiG Rz. 17.
[8] BGH v. 3.5.1994, GSSt 2, 3/93, wistra 1994, 185; BGH v. 20.6.1994, 5 StR 595/93, wistra 1994, 266.
[9] Gürtler, in Göhler, OWiG, 16. Aufl. 2012, Vor § 19 OWiG Rz. 13; Klein/Jäger, AO, 13. Aufl. 2016, § 378 AO Rz. 33; Rolletschke, in Rolletschke/Kemper, Steuerstrafrecht, § 378 AO Rz. 47; Heuel, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 378 AO Rz. 157; a. A. Joecks, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 378 AO Rz. 62.
[10] BayObLG v. 11.5.1993, 3 ObOWi 16/93, wistra 1993, 236; Jäger, in Klein, AO, 13. Aufl. 2016, § 378 Rz. 33.
[11] Joecks, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 378 AO Rz. 62.
[12] Rolletschke, in Rolletschke/Kemper, Steuerstrafrecht, § 378 AO Rz. 46.

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