2.2.1 Allgemeines

 

Rz. 21

Allgemein richtet sich die Dauer der Verjährungsfrist nach der Höhe des gesetzlich angedrohten Strafmaßes.[1] Demnach beträgt die grundsätzliche Dauer der Verfolgungsverjährung bei der Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 AO i. V. m. § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB 5 Jahre.

Abweichend von der allgemeinen Regelung des § 78 Abs. 4 StGB, wonach besonders schwere Fälle keine Auswirkung auf die Dauer der Verjährung haben, beträgt bei der Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall gem. § 370 Abs. 3 AO die Verjährungsfrist unter den Voraussetzungen des § 376 Abs. 1 AO 15 Jahre.

 

Rz. 21a

Dabei ist Folgendes zu beachten: Bis zum 24.12.2008 enthielt die AO für die Steuerhinterziehung[2] keine eigenständige Regelung zur Verfolgungsverjährung. Deshalb galten allein die allgemeinen Regelungen des StGB mit der Folge einer grds. 5-jährigen Verjährungsfrist.[3] Da sich gem. § 78 Abs. 4 StGB die Verjährungsfrist nach der Strafdrohung des Grundtatbestandes richtet, blieben Schärfungen, die für besonders schwere Fälle vorgesehen sind, für die Länge der Verjährungsfrist ohne Bedeutung. Dies hat der Gesetzgeber durch das JStG 2009 mit Wirkung ab 25.12.2008 geändert[4], indem er durch eine Sonderregelung in § 376 Abs. 1 AO für die in § 370 Abs. 3 S. 2 Nrn. 1 bis 5 AO genannten Fälle besonders schwerer Steuerhinterziehung die Frist für die Verfolgungsverjährung auf zehn Jahre erhöht hat.[5] Der bisherige § 376 AO wurde ohne inhaltliche Änderungen zu Absatz 2.[6]

Gem. Art 97 § 23 EGAO gilt die Verlängerung der Verjährungsfrist in den in § 376 Abs. 1 AO bezeichneten Fällen für alle bei Inkrafttreten des Änderungsgesetzes am 25.12.2008 noch nicht abgelaufenen Verjährungsfristen. Mit Wirkung vom 25.6.2017 wurde die verlängerte Verjährung auf Fälle des neu eingeführten Regelbeispiels gem. § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 6 AO erstreckt. Zu diesem Zeitpunkt bereits verjährte Taten wurden nicht erfasst. Durch das JStG 2020[7] verlängerte der Gesetzgeber die Verjährungsfrist in § 376 Abs. 1 AO mit Wirkung vom 29.12.2020 von 10 auf 15 Jahre – auch in Fällen des Schmuggels im besonders schweren Fall.[8]

Zudem verlängerte der Gesetzgeber für die in § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 16 AO genannten besonders schweren Fälle der Steuerhinterziehung die Dauer der absoluten Verjährungsfrist abweichend von § 78c Abs. 3 S. 2 StGB auf das zweieinhalbfache der gesetzlichen Verjährungsfrist.[9]

 

Rz. 22

Die Dauer der Verfolgungsverjährung kann sich zudem insbesondere dadurch verlängern, dass ein Unterbrechungstatbestand des § 78c StGB erfüllt ist (dazu näher Rz. 31 ff.), oder die Verjährung aus den genannten Gründen des § 78b StGB ruht (dazu näher Rz. 42 f.). Im Steuerstrafrecht sind hier darüber hinaus die besonderen Regelungen des § 376 Abs. 2 AO, der einen weiteren Unterbrechungstatbestand enthält, zu beachten.[10]

[1] S. § 78 StGB.
[3] § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB; vgl. auch Klein/Jäger, AO, 16. Aufl. 2022, § 376 Rz. 1.
[4] BGBl I 2008, 2794.
[5] Zur Begründung vgl. BT-Drs. 16/11055.
[6] Klein/Jäger, AO, 16. Aufl. 2022, § 376 Rz. 1.
[7] BGBl I 2020, 3096.
[8] Klein/Jäger, AO, 16. Aufl. 2022 § 376 Rz. 2 m. w. N.
[9] § 376 Abs. 3 AO; näher Rz. 41a – 43.
[10] S. näher Rz. 41 und § 396 AO, insbes. den weiteren Ruhenstatbestand in § 396 Abs. 3 AO – s. näher die dortige Kommentierung von Nikolaus, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, zu § 396 AO.

2.2.2 § 376 Abs. 1 AO

 

Rz. 23

§ 376 Abs. 1 AO[1] bestimmt, dass die Verjährungsfrist in den in § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1–6 AO genannten Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung 15 Jahre beträgt. Diese Verlängerung soll das Strafrisiko für den mit hoher krimineller Energie handelnden Steuerhinterzieher erhöhen und dadurch die Steuerhinterziehung wirkungsvoller bekämpfen.[2] Gegen diese Vorschrift werden verfassungsrechtliche Bedenken geäußert, die nicht auf dem Rückwirkungsverbot[3], aber auf einem möglichen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG[4] sowie einem etwaigen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot[5] gründen (vgl. dazu auch Rz. 29).

[1] Mit Wirkung zum 25.12.2008 eingefügt durch Art. 10 JStG 2009 v. 19.12.2008, BGBl I 2008, 2794, 2827, geändert mit Wirkung vom 25.6.2017 durch G. v. 23.6.2017 (BGBl I 2017, 1682), 2. Hs. angefügt mit Wirkung vom 1.7.2020 durch G. v. 29.6.2020 (BGBl I 2020, 1512), 1. Hs. geändert mit Wirkung vom 29.12.2020 durch G. v. 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096).
[2] BT-Drs. 16/10189, 113.
[3] BVerfG v. 18.9.2008, 2 BvR 1817/08, NJW 2008, 3769; Ebner, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 376 AO Rz. 18; Wenzler, in Flore/Tsambikakis, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2016, § 376 AO Rz. 6.
[4] Wegner PStR 2009, 41; Pelz NJW 2009, 470; Wenzler, in Flore/Tsambikakis, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2016, § 376 AO Rz. 6; Dannecker, NZWiSt 2014, 6; vgl. auch Klein/Jäger, AO, 16. Aufl. 2022 § 376 Rz. 15; Ebner, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 376 AO Rz. 19.
[5] Pelz NJW 2009, 470; vgl. auch Wulf DStR 2009, 459; Wenzler, in Flore/Tsambikakis, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2016, § 376 AO Rz. 6, 7; a. A. Mosbacher, Steueranwal...

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