7.1 Selbstständige Ermittlungszuständigkeit der Finanzbehörden

 

Rz. 69

Bei § 373 AO besteht eine selbstständige Ermittlungskompetenz der Finanzbehörden (hier: des Hauptzollamtes – HZA) unter den Voraussetzungen des § 386 Abs. 2 AO, sofern das Verfahren noch durch einen Strafbefehl geahndet werden kann.[1]

7.2 Kontrollierte Durchfuhr

 

Rz. 70

Um Hintermänner aufzudecken, ist bei Schmuggeltaten in vielen Fällen die sog. kontrollierte Durchfuhr eine geeignete Ermittlungsmaßnahme, ggf. i. V. m. TKÜ-Maßnahmen (s. u. Rz. 71). Dies bedeutet, dass ein Container mit Schmuggelware von Zollfahndern begleitet wird, sobald er in Bewegung gesetzt wird, um zu ermitteln, wohin er tatsächlich verbracht wird und welche Personen für ihn verantwortlich sind. Bei der sog. kontrollierten Durchfuhr handelt es sich um eine längerfristige Observation gem. Nrn. 29a29d RiStBV.

7.3 Telekommunikationsüberwachung

 

Rz. 71

Zulässig ist bei dem Verdacht des § 373 AO die Telekommunikationsüberwachung[1], sofern die allgemeinen Anordnungsvoraussetzungen des § 100a StPO vorliegen. Als TKÜ-Maßnahmen sind im Ermittlungsverfahren, da bei den Zollstellen regelmäßig telefonische Erreichbarkeiten des (vermeintlich) Verantwortlichen für den/die Container, die Schmuggelware enthalten, hinterlassen werden, insbesondere die Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs gem. § 100a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 b StPO sowie die Erhebung von Verkehrsdaten, namentlich der Standortdaten in Echtzeit zur Aufenthaltsermittlung im Mobilfunknetz gem. § 100g Abs. 1 und 2 StPO i. V. m. § 96 TKG geeignete und erfolgversprechende Maßnahmen.

[1] § 100a Abs. 2 Nr. 2b StPO; dazu Bittmann, wistra 2010, 125; BGH v. 15.3.2005, 5 StR 592/04, BFH/NV 2006, Beilage 1, 84–85.

7.4 Schmuggelprivileg gem. § 32 ZollVG

 

Rz. 72

Ein Absehen von der Verfolgung gem. § 32 Abs. 1 ZollVG in den Fällen des "Kleinschmuggels" schließt § 32 Abs. 2 ZollVG in der seit dem 16.3.2017 geltenden Fassung für den Qualifikationstatbestand des § 373 AO ausdrücklich aus.[2]

Rz. 73 einstweilen frei

[1] BayObLG v. 16.6.2003, 4St RR 23/2003, 4St RR 23/03, NStZ-RR 2003, 375.
[2] Klein/Jäger, AO, 17. Aufl. 2023, § 373 Rz. 90 m. w. N.

7.5 Strafaufhebungsgrund nach § 37 TabStG

 

Rz. 74

§ 373 AO ist gem. § 37 Abs. 1 S. 2 TabStG nicht anzuwenden, wenn der Täter vorsätzlich oder fahrlässig Zigaretten in Verpackungen erwirbt, an denen kein gültiges Steuerzeichen i. S. d. des § 2 Abs. 7 TabStG angebracht ist, soweit der einzelnen Tat nicht mehr als 1.000 Zigaretten zugrunde liegen.[1] Dies ist allein als Ordnungswidrigkeit zu ahnden und kehrt den Grundsatz des § 21 Abs. 1 OWiG um.[2]

[2] Ebner, in MüKoStGB, 4. Aufl. 2023, § 373 AO Rz. 74.

7.6 Strafklageverbrauch

 

Rz. 75

In der Praxis ist beim Schmuggel stets das Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs zu prüfen. Der Verbrauch der Strafklage ist dabei die wichtigste Wirkung der materiellen Rechtskraft und bedeutet, dass nach rechtskräftigem Verfahrensabschluss wegen des Grundsatzes ne bis in idem (= Grundsatz der Einmaligkeit der Strafverfolgung) eine erneute Strafverfolgung desselben Täters wegen derselben Tat unzulässig ist.[1] Z. B. besteht Strafklageverbrauch nach Art. 54 SDÜ bei einer einheitlichen Schmuggelfahrt durch mehrere EU-Staaten[2]; wer also wegen eines Tatsachenkomplexes bereits in einem anderen Mitgliedstaat abgeurteilt worden ist, soll sich darauf verlassen können, dass er nicht in einem anderen Mitgliedstaat – auch nicht unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt – ein zweites Mal wegen derselben Tatsachen strafrechtlich verfolgt wird.

[1] Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl. 2023, Einl Rz. 171.
[2] BGH v. 9.6.2008, 5 StR 342/04, wistra 2008, 470 mit Anm. Kische, wistra 2009, 161; BGH v. 22.7.2004, 5 StR 241/04, wistra 2004, 475; vgl. auch Jäger, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 373 AO Rz. 114.

7.7 Wahlfeststellung

 

Rz. 76

Wahlfeststellung bedeutet, dass eine Verurteilung im Steuerstrafverfahren auf alternativer Grundlage erfolgt.[1] Kann also im Rahmen des § 264 StPO nach Ausschöpfung aller Beweismöglichkeiten nicht eindeutig aufgeklärt werden, welchen Tatbestand der Täter verwirklicht hat, ist aber sicher, dass er einen von mehreren möglichen Tatbeständen verwirklicht hat[2], ist eine Wahlfeststellung zwischen gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung[3] und gewerbsmäßiger Steuerhehlerei[4] zulässig.[5]

[1] Fischer, StGB, 71. Aufl. 2024, § 1 Rz. 32.
[2] Fischer, StGB, 71. Aufl. 2024, § 1 Rz. 33.
[5] Ebner, in MüKoStGB, 4. Aufl. 2023, § 373 AO Rz. 78.

7.8 "Kronzeugenregelung"

 

Rz. 77

Die sog. Kronzeugenregelung des § 46b StGB[1] gilt gem. § 46b StGB i. V. m. § 100a Abs. 2 Nr. 2b StPO in Fällen des § 373 AO. Demnach steht hier ein besonderes Instrument zur Verfügung, um kooperationswilligen Tatbeteiligten einen Anreiz zur Aufklärungs- und Präventionshilfe zu bieten, denn § 46b StGB enthält einen sog. vertypten (= gesetzlichen) Milderungsgrund in Form einer im Ermessen des Gerichts stehenden Strafrahmenmilderung[2] oder eines Absehens von Strafe.[3]

[1] Allg. dazu Peglau, wistra 2009, 409.
[2] Abs. 1 S. 1.
[3] Abs. 1 S. 4.

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