Rz. 156

Die dem Nachentrichtungspflichtigen zu bestimmende Frist für die Nachentrichtung muss angemessen sein. "Angemessen" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt, wenn nach vermeintlicher Nichteinhaltung der Frist ein Strafverfahren durchgeführt wird[1].

 

Rz. 157

Der demgegenüber vertretenen Ansicht, dass die Frist durch das Strafverfolgungsorgan nach "pflichtgemäßem Ermessen" zu erfolgen habe[2], kann im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG nicht gefolgt werden, da damit der Eintritt der Strafbarkeit bzw. Straffreiheit in der Dispositionsbefugnis eines Strafverfolgungsorgans stehen würde. Eine gerichtliche Überprüfung wäre nach dieser Ansicht nur hinsichtlich eines Ermessensmissbrauchs möglich[3].

 

Rz. 158

Gelangt das Gericht, das nach Klageerhebung über das Vorliegen des Strafaufhebungsgrunds (Rz. 151) zu entscheiden hat, in der Hauptverhandlung zur Überzeugung, dass die Fristsetzung nicht angemessen gewesen ist, so ist diese insgesamt unwirksam[4]. Die Rechtswirkungen der Fristsetzung sind nicht eingetreten, die Anwartschaft auf Straffreiheit besteht uneingeschränkt. Das Gericht muss, wenn die Nachentrichtungspflicht zwischenzeitlich nicht erfüllt worden ist, eine neue Frist setzen[5]. In die Fristbemessung hat das Gericht dann aber den inzwischen verstrichenen Zeitraum einzubeziehen[6].

[1] Rz. 170; LG Hamburg v. 4.3.1987, (50) 187/86 Ns, wistra 1988, 318, 320; Joecks, in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl. 2009, § 371 AO Rz. 118; Rüping, in HHSp, AO/FGO, § 371 AO Rz. 131.
[2] So z. B. OLG Karlsruhe v. 18.4.1974, 1 Ss 8/74, NJW 1974, 1577; LG Koblenz v. 13.12.1985, 105 Js (Wi) 17.301/83 10 Kls, DStR 1986, 511; Wassmann, ZfZ 1990, 40, 44; Kemper, in Rolletschke/Kemper, Steuerverfehlungen, § 371 AO Rz. 88; Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 371 AO Rz. 99.
[3] Widersprüchlich deshalb Kemper, in Rolletschke/Kemper, Steuerverfehlungen, § 371 AO Rz. 88.
[4] LG Koblenz v. 13.12.1985, 105 Js (Wi) 17.301/83 Kls, DStR 1965, 511; Joecks, in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl. 2009, § 371 AO Rz. 112; Jäger, in Klein, AO, 10. Aufl. 2009, § 371 AO Rz. 92; Kemper, in Rolletschke/Kemper, Steuerverfehlungen, § 371 AO Rz. 88a; Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 371 AO Rz. 102
[5] Rz. 155; Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 371 AO Rz. 102; Rüping, in HHSp, AO/FGO, § 371 AO Rz. 124.
[6] Joecks, in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl. 2009, § 371 AO Rz. 112; Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 371 AO Rz. 102.

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