Rz. 355

Die dem Nachentrichtungspflichtigen zu bestimmende Frist für die Nachentrichtung muss "angemessen" sein. Dies ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt, wenn nach vermeintlicher Nichteinhaltung der Frist ein Strafverfahren durchgeführt wird.[1]

 

Rz. 356

Der demgegenüber vertretenen Ansicht, dass die Frist durch das Strafverfolgungsorgan nach "pflichtgemäßem Ermessen" zu erfolgen habe[2], kann im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG nicht gefolgt werden, da damit der Eintritt der Strafbarkeit bzw. Straffreiheit in der Dispositionsbefugnis eines Strafverfolgungsorgans stehen würde. Eine gerichtliche Überprüfung wäre nach dieser unzutreffenden Ansicht nur hinsichtlich eines Ermessensmissbrauchs möglich.[3]

 

Rz. 357

Gelangt das Gericht, das nach Klageerhebung über das Vorliegen des Strafaufhebungsgrunds zu entscheiden hat, in der Hauptverhandlung zur Überzeugung, dass die Fristsetzung nicht angemessen gewesen ist, so ist diese insgesamt unwirksam und unbeachtlich statt sich eo ipso auf eine angemessene Frist zu verlängern.[4] Die Rechtswirkungen der Fristsetzung sind nicht eingetreten, die Anwartschaft auf Straffreiheit besteht uneingeschränkt. Wenn die Nachentrichtungspflicht nicht zwischenzeitlich erfüllt worden ist, muss das Gericht eine neue Frist setzen.[5] In die Fristbemessung hat das Gericht dann aber den inzwischen verstrichenen Zeitraum einzubeziehen.[6]

[1] LG Hamburg v. 4.3.1987, (50) 187/86 Ns, wistra 1988, 318, 320; Beckemper, in HHSp, AO/FGO, 245. Lfg. 11/17, § 371 AO Rz. 114; Joecks, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 371 AO Rz. 167 (im Widerspruch zu Rz. 157 bzgl. der Wirkungen einer steuerlichen Stundung).
[2] OLG Karlsruhe v. 18.4.1974, 1 Ss 8/74, NJW 1974, 1577; LG Koblenz v. 13.12.1985, 105 Js (Wi) 17.301/83 10 Kls, DStR 1986, 511; Kemper, in Rolletschke/Kemper, Steuerstrafrecht, 109. Lfg. 10/17, § 371 AO Rz. 421; Kohler, in MüKo StGB Bd. 7, 2. Aufl., § 371 AO Rz. 155, allerdings im Widerspruch zu Rz. 160; Schauf, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 59. Lfg. 11/17, § 371 AO Rz. 350; Wassmann, ZfZ 1990, 40, 44.
[3] Kemper, in Rolletschke/Kemper, Steuerstrafrecht, 109. Lfg. 10/17, § 371 AO Rz. 421, der von einer nur beschränkt überprüfbaren Entscheidung spricht; widersprüchlich Kohler, in MüKo StGB Bd. 7, 2. Aufl., § 371 AO Rz. 155 und 160.
[4] LG Koblenz v. 13.12.1985, 105 Js (Wi) 17.301/83 Kls, DStR 1965, 511; Klein/Jäger, AO, 15. Aufl. 2020, § 371 Rz. 228; Joecks, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 371 AO Rz. 160; Kemper, in Rolletschke/Kemper, Steuerstrafrecht, 109. Lfg. 10/17, § 371 AO Rz. 424; Schauf, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 59. Lfg. 11/17, § 371 AO Rz. 350.
[5] BFH v. 17.12.1981, IV R 94/77, BStBl II 1982, 352; Beckemper, in HHSp, AO/FGO, 245. Lfg. 11/17, § 371 AO Rz. 115; Schauf, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 59. Lfg. 11/17, § 371 AO Rz. 366, 371.
[6] Joecks, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 371 AO Rz. 160, 167; Schauf, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 59. Lfg. 11/17, § 371 AO Rz. 366.

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