2.2.1 Rechtswirkung der "Selbstanzeigeerklärung"

 

Rz. 27

Die "Selbstanzeigeerklärung" begründet für den "Selbstanzeigenden" die Anwartschaft auf Straffreiheit hinsichtlich der Steuerhinterziehung (Rz. 18), sofern nicht bei Abgabe der Erklärung ein Ausschlussgrund nach § 371 Abs. 2 AO vorliegt (Rz. 62). Das Anwartschaftsrecht ist zudem regelmäßig auflösend bedingt durch die fristgerechte Nachentrichtung gem. § 371 Abs. 3 AO (Rz. 122).

Diese Anwartschaft folgt allein aus der Abgabe der Erklärung (Rz. 5, 34). Die Erklärung ist unter diesem Gesichtspunkt nicht anfechtbar oder widerruflich[1]. Die Voraussetzungen des § 371 AO müssen objektiv vorliegen, auf die Meinung des "Selbstanzeigenden" kommt es nicht an[2].

[1] Niedersächsisches FG v. 10.9.2005, 3 V 281/05, EFG 2006, 936; FG Baden-Württemberg v. 11.12.2006, 6 K 214/05, EFG 2007, 330; zur Korrektur oder dem Widerruf der in der Erklärung enthaltenen Angaben s. Rz. 58.
[2] Joecks, in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl. 2009, § 371 AO Rz. 34.

2.2.2 Allgemeine Voraussetzungen der Anwartschaft auf Straffreiheit

2.2.2.1 Verfolgbare Steuerhinterziehung

 

Rz. 28

Die Anwartschaft auf Straffreiheit wird nach § 371 Abs. 1 AO für denjenigen begründet, der in den Fällen des § 370 AO die "Selbstanzeigeerklärung" abgibt. Die "Selbstanzeige" setzt einmal das Vorliegen des Straftatbestands der Steuerhinterziehung voraus (Rz. 18).

Die Tat muss bereits verübt sein und sich nach § 370 Abs. 2 AO zumindest im Versuchsstadium befinden (§ 370 AO Rz. 140f.), da anderenfalls noch keine Strafbarkeit der Handlung gegeben ist, die durch eine "Selbstanzeige" aufgehoben werden könnte. Eine "Voraus-Anzeige" einer zukünftigen Tat beseitigt die Strafbarkeit nicht, wenn die Tathandlung später vorgenommen wird. § 371 AO ist nicht anwendbar[1].

Umgekehrt muss die begangene Tat noch verfolgbar sein. Einer "Selbstanzeige" bedarf es nicht, wenn eine Strafe nicht oder nicht mehr, z. B. infolge nach § 78 StGB eingetretener Strafverfolgungsverjährung (§ 369 AO Rz. 85e; § 376 AO Rz. 1), ausgesprochen werden kann. Eine "Selbstanzeige" für eine nicht mehr verfolgbare Tat kann die Nachentrichtungspflicht nach § 371 Abs. 3 AO (Rz. 122) nicht begründen.

[1] BGH v. 20.7.1965, 1 StR 95/65, DStR 1966, 150.

2.2.2.2 Tatbeteiligung des "Selbstanzeigenden"

 

Rz. 29

Die "Selbstanzeige" setzt ferner die Beteiligung des Anzeigenden an der verübten (Rz. 28) Tat voraus (§ 369 AO Rz. 48; § 370 AO Rz. 11). Unerheblich ist, ob die Tat zu eigenen oder fremden Gunsten erfolgt ist (§ 370 AO Rz. 18). Ein nicht an der Tat Beteiligter ist ohnehin straffrei. Seine Anzeige ist, sofern er nicht für den Tatbeteiligten handelt (Rz. 31), eine strafrechtliche Anzeige i. S. v. § 158 Abs. 1 StPO, die eine Strafverfolgung des Tatbeteiligten nur im Fall des § 371 Abs. 4 AO hindert (Rz. 179).

Die Form der Tatbeteiligung, also Täterschaft in jeder rechtlichen Form (§ 369 AO Rz. 50), Beihilfe oder Anstiftung (§ 369 AO Rz. 55, 56), ist unerheblich (Rz. 18). Diese erlangt nur Bedeutung für den Inhalt der "Selbstanzeigeerklärung" (Rz. 60).

2.2.2.3 Erklärung des "Selbstanzeigenden"

2.2.2.3.1 Persönlicher Wirkungsbereich

 

Rz. 30

Die Anwartschaft auf Straffreiheit (Rz. 27) erlangt nach § 371 Abs. 1 AO, "wer" berichtigt, ergänzt oder nachholt. Sie entsteht also nur für die Person, die die "Selbstanzeigeerklärung" abgibt[1]. Sind noch weitere Personen an der Tat beteiligt gewesen, wirkt die "Selbstanzeige" des handelnden Tatbeteiligten nicht zugleich für sie[2]. Sonstige Tatbeteiligte bleiben strafbar.

2.2.2.3.2 Vertretung bei der Erklärung

 

Rz. 31

Dies bedeutet aber nicht, dass der "Selbstanzeigende" die Erklärung auch selbst abgeben muss. Sie ist keine höchstpersönliche Handlung[1]. Sie kann auch in seinem Namen erklärt werden.

Da die "Selbstanzeige" im Besteuerungsverfahren erklärt wird (Rz. 5), kann sie durch gesetzliche oder satzungsmäßige Vertreter vorgenommen werden, hierbei ist auch gem. § 80 AO die Vertretung zulässig[2]. Mehrere Tatbeteiligte sind nicht gehindert, einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen, das strafprozessuale Verbot der Mehrfachvertretung (§ 392 AO Rz. 30) gilt nicht[3].

Die die Anwartschaft auf Straffreiheit nach § 371 Abs. 1 AO begründende "Selbstanzeigeerklärung" muss im Fall der Bevollmächtigung auf dem Willen des Tatbeteiligten beruhen und von ihm veranlasst sein[4]. Der "Vertreter" muss den Willen zur Vertretung haben und dies deutlich machen. Eine "verdeckte" Stellvertretung ist nicht zulässig[5].

 

Rz. 32

Diese Voraussetzung der Anwartschaft ist demgemäß nur gegeben, wenn der Tatbeteiligte von der Erstattung der "Selbstanzeige" in seinem Namen Kenntnis hat. Die Erklärung eines Vertreters ohne Vertretungsmacht begründet die Anwartschaft für den angeblich Vertretenen nicht[6]. Dies gilt selbst dann, wenn der angeblich Vertretene die Handlung nachträglich genehmigt[7]. Sie löst dann zwar wirksam alle steuerrechtlichen Folgen aus (§ 80 AO Rz. 31), ist aber strafrechtlich irrelevant. Einem mit der Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten beauftragten Angehörigen der steuerberatenden Berufe ist es schon aufgrund des Mandatsverhältnisses verwehrt, eine von ihm erkannte Steuerhinterziehung seines Mandanten ohne oder gegen dessen Willen anzuzeigen, sofern er nicht selbst Tatbet...

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