Rz. 23i

Gemäß § 5 Nr. 1 des VerSanG-E wird eine Verbandssanktion nicht verhängt, wenn eine Verbandstat "nicht verfolgt werden kann, weil eine Strafe ausgeschlossen oder aufgehoben ist"“. Aus der Begründung zu dieser Regelung ergibt sich, dass "das Vorliegen einer wirksamen strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 AO durch den Täter der Verbandstat … die Verhängung einer Verbandssanktion" hindert. Aus dieser zunächst eindeutig klingenden Regelung ergeben sich jedoch durchaus Probleme für die Rechtsanwendung.

 

Rz. 23j

Da eine Selbstanzeige nur im Hinblick auf eine Steuerhinterziehung i. S. d. § 370 Abs. 1 AO strafbefreiend wirkt, bleiben in Tateinheit oder -mehrheit stehende Delikte weiterhin strafbar und eine diesbezügliche Sanktionierung des Verbands möglich. Folglich ist zu erwarten, dass der Verband die Abgabe einer Selbstanzeige in den Fällen kritisch sehen wird, in denen mitverwirklichte Straftaten erheblich ins Gewicht fallen und diesbezügliche Strafverfahren voraussichtlich nicht eingestellt werden. Wirtschaftlich sinnvoll erscheinen Selbstanzeigen in solchen Fällen aus Sicht des Verbands nur, wenn die mitverwirklichten Straftaten im Vergleich zur Steuerhinterziehung kaum ins Gewicht fallen. Insoweit erscheint es zumindest denkbar, dass betroffene Verbände versuchen werden, die Selbstanzeigen ihrer Leitungspersonen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu verhindern.

 

Rz. 23k

Im Kontext des VerSanG ist ferner zu beachten, dass die Selbstanzeige lediglich für denjenigen wirkt, der sie selbst oder durch einen im Vorfeld bevollmächtigten Vertreter abgibt, da es sich bei ihr um einen persönlichen Strafausschließungsgrund handelt. Damit jedoch i. S. d. § 5 Nr. 1 VerSanG-E die Verbandsstraftat nicht mehr verfolgt werden kann, müssen deshalb alle an der als Verbandstat in Frage kommenden Steuerhinterziehung beteiligten natürlichen Personen – sämtliche Täter und Teilnehmer – eine wirksame Selbstanzeige abgegeben haben.[1] Dies bedeutet in der Praxis jedoch, dass all diese Personen in eine gemeinsame Selbstanzeige einbezogen werden müssen, da es bei der Abgabe einer Vielzahl einzelner Selbstanzeigeerklärungen leicht zu einer vorzeitigen Tatentdeckung und damit zum Ausschluss der folgenden Selbstanzeigen kommen kann.

 

Rz. 23l

Darüber hinaus kann eine Selbstanzeige auch durch einen im Vorwege beauftragten Vertreter abgegeben werden, aber es ist noch nicht abschließend geklärt, ob die Abgabe einer Selbstanzeige in offener Stellvertretung erfolgen muss oder auch in verdeckter Stellvertretung erfolgen darf (vgl. Rz. 53ff). Nach h. M. dürfte die Offenlegung der Beauftragung nur notwendig sein, wenn eine Fristsetzung zur Nachzahlung gem. § 371 Abs. 3 AO bzw. eine Frist nach § 398a AO zu setzen ist. Im Kontext des VerSanG dürfte es sich jedoch in aller Regel um Hinterziehungsbeträge über 25.000 EUR handeln, so dass vor dem Hintergrund des § 398a AO die Benennung der an der Tat Beteiligten erforderlich sein dürfte. Darüber hinaus liegt eine offene Stellvertretung auch im Interesse des Verbands, da ein Verfahren nach dem VerSanG aufgrund des insoweit geltenden Legalitätsprinzips nur ausbleiben wird, wenn klar ist, dass die Voraussetzungen des § 5 Nr. 1 VerSanG-E vollumfänglich erfüllt sind.

 

Rz. 23m

Bei § 5 Nr. 1 VerSanG-E verweist die Gesetzesbegründung darüber hinaus ausschließlich auf § 371 AO, nicht jedoch auf § 398a AO.[2] Dafür wird in Art. 10 Nr. 13 VerSanG der Wortlaut des § 398a Abs. 1 AO im Hinblick auf "Verfahren nach dem Verbandssanktionengesetz" erweitert. Ein entsprechender Ausschluss ergibt sich jedoch schon unmittelbar aus § 5 Nr. 1 VerSanG-E, da es sich bei § 398a AO um ein zwingend zu beachtendes strafprozessuales Verfolgungshindernis handelt, so dass Strafe damit i. S. d. § 5 Nr. 1 VerSanG-E ausgeschlossen ist. Es fehlt jedoch eine entsprechende Klarstellung in der Gesetzesbegründung.[3]

 

Rz. 23n

In der praktischen Anwendung wird sich ferner das zwischen der Regelung des § 153 AO und dem § 371 AO bestehende Spannungsverhältnis häufig zeigen, das insb. besteht, wenn Stpfl. und Erklärender nicht identisch sind.[4] Erkennt der Vertreter des Verbands, dass ihm bei der Abgabe einer Erklärung ein Fehler unterlaufen ist, der zu einer Steuerverkürzung geführt hat oder führen kann, so trifft ihn die Berichtigungspflicht aus § 153 Abs. 1 AO. Er wird somit ein Interesse daran haben, die erforderliche Anzeige unverzüglich abzugeben, um sich nicht eventuell nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO strafbar zu machen. Das Interesse des Verbands wird hingegen häufig in eine andere Richtung gehen, da nach § 5 Nr. 1 VerSanG-E eine Korrekturerklärung gem. § 153 AO nicht zum Ausschluss einer Verbandssanktion führt. Folglich wird der Verband eher ein Interesse daran haben, den Sachverhalt so umfassend aufzuklären, dass die abgegebene Erklärung auf keinen Fall unvollständig ist. Sollte die Erklärung nämlich als Selbstanzeige gedeutet werden, so ist diese nur wirksam, wenn sie sämtliche Taten der letzten zehn Jahre in vollem Umfang erfasst. Diese P...

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