11.1 Verhältnis der Steuerhinterziehung zu allgemeinen Straftaten

11.1.1 Verhältnis der Steuerhinterziehung zum Betrug (§§ 263, 264 StGB)

 

Rz. 259

Die Steuerhinterziehung ist ein hinsichtlich der Tathandlung modifizierter Steuerbetrug (s. Rz. 3). An die Stelle des Vermögensvorteils in § 263 StGB tritt in § 370 AO der Steuervorteil (s. Rz. 103). § 370 AO ist insoweit ein spezieller Sonderstraftatbestand (lex specialis; s. § 369 AO Rz. 68) gegenüber dem Betrug[1] und dem Subventionsbetrug[2]. Sind die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale des § 370 AO erfüllt, so ist wegen dieser Tat eine Ahndung wegen Betrugs ausgeschlossen[3]. Dies gilt auch, wenn der Täter der Finanzbehörde durch falsche Angaben über Tatsachen, z. B. über Vorsteuer-Erstattungsansprüche, einen nicht existenten Steuerfall vortäuscht[4].

 

Rz. 260

Auch die Hinterziehung von steuerlichen Nebenleistungen (s. Rz. 83) kann nicht als Betrug geahndet werden[5]. Die Beeinträchtigung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis bewirkt einen steuerlichen Vorteil, aber keinen Vermögensvorteil i. S. v. § 263 StGB.

[3] BGH v. 23.9.1980, 5 StR 188/80, HFR 1981, 287; BGH v. 21.10.1997, 5 StR 328/97, wistra 1998, 64; zur Abgrenzung Fuhrhop, NJW 1980, 1261.
[5] BGH v. 19.12.1997, 5 StR 569/96, wistra 1998, 180; Jäger, in Klein, AO, 11. Aufl. 2012, § 370 Rz. 19; Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz. 407; a. A. BayObLG v. 1.12.1980, RReg 4 St 241/80, DB 1981, 777; Scheurmann-Kettner, in Koch/Scholtz, AO, 5. Aufl. 1996, § 370 Rz. 31.

11.1.2 Verhältnis der Steuerhinterziehung zur Untreue (§ 266 StGB)

 

Rz. 261

Wird die Steuerhinterziehung durch einen Amtsträger begangen, der seine Befugnisse oder seine Rechtsstellung missbraucht (§ 370 Abs. 3 Nr. 2 AO; Rz. 161), so erfüllt dieser regelmäßig auch den Straftatbestand der Untreue nach § 266 StGB[1]. Die Ahndung der Untreue wird jedoch nicht durch die Ahndung der Steuerhinterziehung ausgeschlossen, sondern hat gesondert zu erfolgen (zur Konsumtion § 369 AO Rz. 70). Durch den erhöhten Strafrahmen (s. Rz. 184) wird allerdings der typische Unrechtsgehalt der Untreue abgegolten und darf nicht nochmals strafschärfend berücksichtigt werden[2].

Eine Untreue liegt nicht vor, wenn ein GmbH-Geschäftsführer mit Zustimmung aller Gesellschafter bereits erzielte Gewinne aus dem Gesellschaftsvermögen entnimmt und deren Entstehung durch falsche Buchungen verschleiert, um Steuern zu hinterziehen[3].

[1] AG Lübeck v. 24.10.2003, 75 Ds 720 Js 9029/03, wistra 2004, 77.
[2] BGH v. 21.10.1997, 5 StR 328/97, wistra 1998, 64.
[3] BGH v. 24.8.1988, 3 StR 232/88, wistra 1989, 23.

11.1.3 Verhältnis der Steuerhinterziehung zur Urkundenfälschung (§ 267 StGB)

 

Rz. 262

Wird die Urkundenfälschung, z. B. die Herstellung und Verwendung falscher Ausgabenbelege, bei der Erstellung der Buchführung begangen, so ist dies im Rahmen der Vorbereitung zur Steuerhinterziehung zu sehen (s. Rz. 145). Die Übernahme der falschen Zahlen in die Steuererklärung und die Abgabe dieser Erklärung sind ein hiervon unabhängiger Lebenssachverhalt. Zwischen Urkundenfälschung und Steuerhinterziehung besteht regelmäßig Tatmehrheit (s. Rz. 192). Die Vorstellung des Täters, dass die Urkundenfälschung zwangsläufig in der Abgabe falscher Steuererklärungen enden wird, reicht für die Verbindung der Straftaten zur Tateinheit i. S. v. § 52 StGB (s. Rz. 191) nicht aus[1].

Werden die zum Zweck der Steuerhinterziehung gefälschten Belege im Rahmen einer Außenprüfung einem Prüfer vorgelegt, so fallen tatbestandlich Ausführungshandlungen zusammen, durch die in Tateinheit (§ 52 StGB; Rz. 191) die Straftatbestände der Urkundenfälschung und der Steuerhinterziehung verwirklicht werden[2]. Tateinheit wird nur begründet, wenn die gefälschten Urkunden zur Steuerhinterziehung gebraucht werden[3]. Der Tatbestand der Urkundenfälschung ist auch bei dem Gebrauch von Fotokopien von unechten oder verfälschten Urkunden in Kenntnis der Unechtheit oder Verfälschung der Originale gegeben[4].

Zur Strafbarkeit der Urkundenfälschung, wenn der Täter diese in Erfüllung steuerlicher Pflichten offenbart, s. Erl. zu § 393 Abs. 2 AO; s. aber auch BGH v. 14.6.1999, 5 StR 159/99, wistra 1999, 341.

[1] BGH v. 7.6.1994, 5 StR 272/94, wistra 1994, 268.
[2] BGH v. 15.7.1988, 3 StR 137/88, wistra 1988, 345.
[3] BGH v. 12.5.1989, 3 StR 55/89, wistra 1989, 265.
[4] OLG Düsseldorf v. 29.7.1999, 2b Ss 60/99-32/99 I, wistra 2000, 37.

11.1.4 Verhältnis der Steuerhinterziehung zur Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen (§§ 263, 266a StGB)

 

Rz. 263

Die LSt-Hinterziehung und die Verkürzung bzw. Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen[1] bedeutet keine Tateinheit, da mehrere Handlungen, die gegenüber der Finanzbehörde und dem Sozialversicherungsträger vorzunehmen sind, zur Verletzung mehrerer Strafgesetze führen (s. § 369 AO Rz. 73). Steuerhinterziehung und Betrug bzw. Beitragsvorenthaltung stehen in Tatmehrheit, auch wenn sie auf einem Gesamtplan beruhen[2].

Besteht Beihilfe zur Steuerhinterziehung und zur Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen in der Unterschrift der Lohnbescheinigung mit einem fremden Namen, so liegt eine Tat (s. Rz. 191) vor[3].

[1] Zum Verhältnis zwischen Betrug nach § 263 StGB und dem Vorentha...

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