Rz. 46

Der Erstattungsanspruch steht demjenigen zu, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist. Entscheidend ist nicht, auf wessen Kosten, d. h. von wem oder mit wessen Mitteln die Zahlung erfolgt ist, sondern allein, wessen (vermeintliche) Schuld nach dem erkennbaren Willen des Zahlenden im Zeitpunkt der Zahlung getilgt werden sollte.[1] Dies ist regelmäßig derjenige, der in dem Steuerbescheid oder sonstigen Verwaltungsakt i. S. v. § 218 Abs. 1 AO als Schuldner bezeichnet ist.[2]

Als Erstattungsberechtigte kommen neben natürlichen und juristischen Personen alle anderen steuerrechtsfähigen Gebilde (wie nichtrechtsfähige Personenvereinigungen, Zweckvermögen oder Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts) in Betracht.[3]

 

Rz. 47

Sind Umsatzsteuerzahlungen bei einer nur vermeintlichen – aber nach späterer Erkenntnis nicht vorliegenden – Organschaft zu erstatten, ist Erstattungsgläubiger derjenige, dessen (vermeintliche) Umsatzsteuerschuld nach dem Willen der Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem FA gegenüber erkennbar hervorgetreten ist, getilgt werden sollte.[4] Leistet der "Organträger" aufgrund der abgegebenen USt-Voranmeldungen Umsatzsteuerzahlungen unter Angabe der eigenen Steuernummer, so sind diese Zahlungen auch dann auf seine Umsatzsteuerschulden anzurechnen und ggf. ihm zu erstatten, wenn die vorangemeldete USt auf Umsätzen der Organgesellschaft beruht und sich später herausstellt, dass eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft nicht bestanden hat.[5] Der Organträger hat auch nach Aufhebung der gegenüber einer vermeintlichen Organgesellschaft ergangenen USt-Bescheide keinen unmittelbaren Anspruch auf Erstattung der USt, welche die Organgesellschaft zugunsten ihres eigenen Umsatzsteuerkontos gezahlt hat.[6]

 

Rz. 48

Der Anspruch auf Erstattung von Steuern, die unter Zugrundelegung eines Scheinvertrags festgesetzt sind, steht auch nach Aufdeckung des Scheingeschäftes dem Steuerschuldner zu, gegen den vorher die Steuerbescheide ergangen und für dessen Rechnung entsprechend den Steuerbescheiden die Steuern entrichtet waren.[7]

Im Fall der Testamentsvollstreckung beantwortet sich die Frage, ob das Recht auf Erstattung überzahlter Steuerbeträge den Erben oder dem Testamentsvollstrecker zusteht, nach den Grundsätzen, die den Umfang seiner Rechte und Pflichten bestimmen.[8] Ist die Erbschaftsteuer aus dem der Testamentsvollstreckung unterliegenden Nachlass bezahlt worden, steht der sich aus einer Überzahlung ergebende Anspruch auf Erstattung der Erbschaftsteuer zwar den Erben zu. Verfügungsberechtigt und daher empfangszuständig ist jedoch der Testamentsvollstrecker.[9]

Hat der Insolvenzverwalter dem Insolvenzschuldner eine gewerbliche Tätigkeit durch Freigabe aus dem Insolvenzbeschlag ermöglicht, fällt ein durch diese Tätigkeit erworbener Umsatzsteuervergütungsanspruch nicht in die Insolvenzmasse.[10] Ein ESt-Erstattungsanspruch, der auf Vorauszahlungen beruht, bei deren Berechnung nur die Einkünfte aus einer freigegebenen Tätigkeit zugrunde gelegt worden sind, wird von der vom Insolvenzverwalter erklärten Freigabe der selbstständigen gewerblichen Tätigkeit des Insolvenzschuldners erfasst.[11] Wird eine selbständige Tätigkeit gem. § 35 Abs. 2 InsO aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben, fällt ein ESt-Erstattungsanspruch, der auf Vorauszahlungen beruht, die erst nach der Freigabe festgesetzt und allein nach den zu erwartenden Einkünften aus der freigegebenen Tätigkeit berechnet worden sind, nicht i. S. des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO in die Insolvenzmasse. Darüber hinaus ist ein ESt-Erstattungsanspruch auch dann nicht der Insolvenzmasse geschuldet, wenn er auf Vorauszahlungen beruht, die nach der Freigabe aus Mitteln geleistet worden sind, die zum freigegebenen Vermögen gehören.[12]

 

Rz. 49

Zahlungen Dritter[13] erfolgen für Rechnung des Schuldners.[14] Bewirkt ein dem FA gegenüber nachrangiger Gläubiger durch Bezahlung der Steuerrückstände des Schuldners die Freigabe gepfändeter Forderungen, hat er bei einer späteren Herabsetzung der Steuerschuld keinen Erstattungsanspruch, sondern kann allenfalls zivilrechtliche Ansprüche gegen das FA geltend machen.[15] Ein Bordellbetreiber, der im Rahmen des sogenannten Düsseldorfer Verfahrens freiwillig Vorauszahlungen auf die ESt- und USt-Schuld der bei ihm tätigen Prostituierten leistet, kann nicht nachträglich deren Rückzahlung an sich gem. § 37 Abs. 2 Satz 1 AO verlangen.[16]

Rz. 50–51 einstweilen frei

[1] BFH v. 25.7.1989, VII R 118/87, BStBl II 1990, 41; BFH v. 4.4.1995, VII R 82/94, BStBl II 1995, 492; BFH v. 30.8.2005, VII R 64/04, BStBl II 2006, 353; BFH v. 30.9.2008, VII R 18/08, BStBl II 2009, 38; BFH v. 22.3.2011, VII R 42/10, BStBl II 2011, 607; Boeker, in HHSp, AO/FGO, § 37 AO Rz. 59; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 37 AO Rz. 58; Schlücke, in Gosch, AO/FGO, § 37 AO Rz. 120; Klein/Ratschow, AO, 15. Aufl. 2020, § 37 Rz. 61; Koenig/Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 37 Rz. 19.
[2] BFH v. 9.7.1996, VII 136/95, BFH/NV 1997, 10; Boeker, in HHSp, ...

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