3.5.2.1 Allgemeines

 

Rz. 75

Der Versuch einer Straftat unterscheidet sich von ihrer Vollendung dadurch, dass der subjektive Tatbestand des Delikts bereits erfüllt ist, aber der objektive Tatbestand noch nicht vollständig gegeben ist, da der Erfolg noch nicht eingetreten ist. Der subjektive Tatbestand des versuchten und des vollendeten Delikts ist somit identisch. Die Prüfung des Versuchs ist allerdings – im Gegensatz zum vollendeten Delikt – mit dem subjektiven Tatbestand zu beginnen, da der objektive Tatbestand, der den Bezugspunkt des Vorsatzes darstellt, ganz oder teilweise noch nicht verwirklicht ist. Der objektive (Versuchs-)Tatbestand besteht lediglich in einem unmittelbaren Ansetzen i. S. d. § 22 StGB (vgl. Rz. 80).

 

Rz. 76

Der Strafgrund des Versuchs ergibt sich aus § 22 StGB und er liegt nach h. M. in dem rechtserschütternden Eindruck, den die nach außen manifestierte Betätigung eines kriminellen Willens hinterlässt. Ein solcher betätigter Wille stellt grundsätzlich eine Gefahr für das Rechtsbewusstsein der Bevölkerung sowie den Rechtsfrieden dar und bedarf daher der Sanktion.[1] Daraus ergibt sich jedoch, dass auch ein sog. untauglicher Versuch bestraft werden kann, obwohl er objektiv nicht zu einer vollendeten Straftat führen konnte, vgl. § 23 Abs. 3 StGB.[2]

 

Rz. 77

Der Versuch (s. Rz. 72) einer Straftat, die als Vergehen zu bewerten ist (s. Rz. 51), ist nur strafbar, wenn das Gesetz dies ausdrücklich bestimmt. Sie ergibt sich für die versuchte Steuerhinterziehung aus § 23 Abs. 1 StGB i. V. m. § 370 Abs. 2 AO, für den versuchten Schmuggel aus § 23 Abs. 1 StGB i. V. m. § 373 Abs. 3 AO, für die versuchte Steuerhehlerei aus § 23 Abs. 1 StGB i. V. m. § 374 Abs. 3 AO sowie für die versuchte Fälschung von Steuerzeichen aus § 23 Abs. 1 StGB i. V. m. § 148 Abs. 3 StGB.

Der Versuch der Begünstigung gem. § 257 StGB und der Schädigung des Umsatzsteueraufkommens gem. § 26c UStG sind hingegen in Ermangelung einer entsprechenden gesetzlichen Regelung nicht strafbar.

 

Rz. 78

Für die versuchte Straftat kann gem. § 23 Abs. 2 StGB eine Strafminderung gegenüber der (fiktiven) vollendeten Tat gewährt werden (s. Rz. 141).

In einem besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung gilt für den Versuch aber auch der erweiterte Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO. Insoweit ist allerdings zu beachten, dass sich aus der versuchten oder tatsächlichen Verwirklichung des das Regelbeispiel begründenden Merkmals allein – z. B. zum Gewinnen des Amtsträgers – keine Versuchsstrafbarkeit ergeben kann. Vielmehr setzt die Strafbarkeit nach einem Regelbeispiel der Steuerhinterziehung voraus, dass nach dem Täterplan auch zum Tatbestand der Steuerhinterziehung unmittelbar angesetzt wurde.[3]

[1] BGH v. 23.1.1958, 4 StR 613/57, BGHSt 11, 268; BGH v. 14.3.1995, 1 StR 840/94, BGHSt 41, 94; Fischer, StGB, 67. Aufl. 2020, § 22 StGB Rz. 2a f.
[2] BGH v. 26.2.1988, 3 StR 477/87, wistra 1988, 185; vgl. auch Rz. 80.

3.5.2.2 Beginn des Versuchs

 

Rz. 79

Ein Versuch kann immer nur dann gegeben sein, wenn eine gewollte Tat begonnen, aber unvollendet geblieben ist, also der Taterfolg (vgl. Rz. 18, 52) nicht eingetreten ist. Dabei ist auch ein Versuch durch Unterlassen möglich.

Der subjektive Tatbestand des jeweiligen Delikts muss erfüllt sein. Folglich muss der endgültige Tatentschluss (= Vorsatz) gegeben sein, sodass die Vorstellung des Täters von der Tat maßgeblich ist. Nach dem Wortlaut des § 22 StGB ist die Tat begonnen mit dem unmittelbaren Ansetzen zur Verwirklichung des Tatbestands. Entscheidend ist dabei die Vorstellung des Täters. Der Täter muss die Entscheidung über das "Ob" der Tat getroffen haben, da es sich sonst lediglich um eine sog. Tatgeneigtheit handelt, wenn der Täter noch überlegt, ob er versuchen will, Steuern zu hinterziehen, oder nicht. Allein der Tatentschluss, z. B. die Absicht, bestimmte Geschäftsvorfälle nicht der Besteuerung zu unterwerfen, ist aber noch nicht strafrechtlich relevant.[1]

 

Rz. 80

Der objektive Tatbestand muss gem. § 22 StGB zumindest so weit verwirklicht sein, dass der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestands unmittelbar angesetzt hat.[2] Aus dieser Formulierung ergibt sich, dass auch insoweit die Vorstellung des Täters maßgeblich ist. Somit reicht es aus, wenn er der Ansicht ist, unmittelbar angesetzt zu haben.

Der Täter hat i. S. d. § 22 StGB unmittelbar zur Tat angesetzt, wenn seine Handlungen nach seiner Vorstellung bei ungestörtem Fortgang unmittelbar und ohne weitere wesentliche Zwischenakte zur Tatbestandsverwirklichung führen sollen oder sie in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Tatbestandsverwirklichung stehen, das geschützte Rechtsgut somit unmittelbar gefährden.[3] Ein unmittelbares Ansetzen zur Tat liegt somit frühestens mit dem Beginn von Ausführungshandlungen vor, durch die das geschützte Rechtsgut bereits in diesem Zeitpunkt gefährdet ist, ohne dass weitere Geschehensabläufe dazwischengeschaltet sind.[4]

Da es im Rahmen des Versuchs maßgeblich ist,...

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