2.4.1 Grundlage

 

Rz. 5

Der Zuständigkeitswechsel im Einspruchsverfahren nach Einlegung des Einspruchs bewirkt nicht nur für die Finanzbehörde einen Übergang der Entscheidungskompetenz, sondern hat für den Beteiligten unmittelbare Auswirkungen auf die Zuständigkeit des FG.[1] Nach § 63 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist die Klage gegen das FA zu richten, das die Einspruchsentscheidung erlassen hat. Über eine Zuständigkeitsvereinbarung kann demgemäß der Gerichtsstand beeinflusst werden, was im gerichtlichen Verfahren anschließend nicht mehr möglich ist.[2]

2.4.2 Übergang der Entscheidungskompetenz

 

Rz. 6

Die Entscheidungskompetenz über den Einspruch nach § 367 Abs. 1 S. 1 AO und § 367 Abs. 3 AO setzt voraus, dass die Finanzbehörde, deren Verwaltungsakt angefochten worden ist, auch nach Erlass des Verwaltungsakts weiterhin für die Durchführung des Besteuerungsverfahrens nach den §§ 16 bis 29 AO zuständig bleibt. Ein nachträglicher Wechsel in der Zuständigkeit der Finanzbehörde wirkt sich unmittelbar auf die Entscheidungskompetenz im Einspruchsverfahren aus. Nach § 367 Abs. 1 S. 2 AO erfolgt grundsätzlich mit dem Zuständigkeitswechsel auch ein Übergang der Entscheidungskompetenz auf die neu zuständig gewordene Finanzbehörde.

Ein Zuständigkeitswechsel ist nachträglich, wenn die sachliche oder die örtliche Zuständigkeit nach der Einlegung des Einspruchs auf eine andere Finanzbehörde übergegangen ist. Maßgeblich ist die Zuständigkeit der anderen Finanzbehörde im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung.[1]

 

Rz. 6a

Der Übergang der Entscheidungskompetenz erfolgt stets bei Organisationsänderungen auf der Ebene der Finanzbehörden, z. B. bei Änderung der Bezirksgrenzen der ­jeweiligen Finanzbehörde oder bei Übertragung von Verwaltungsaufgaben auf eine andere Finanzbehörde. Diese Änderungen bewirken, dass die bisher zuständige Behörde ihre Rechtsstellung und damit ihre generelle Regelungsbefugnis verliert und diese Rechtsstellung auf die Nachfolgebehörde übergeht.[2]

 

Rz. 7

Ein Wohnsitzwechsel oder eine Änderung des gewöhnlichen Aufenthalts des Einspruchsführers nach Erlass des Verwaltungsakts führt zur Änderung der örtlichen Zuständigkeit. Mit dem Zuständigkeitswechsel gemäß § 26 S. 1 AO tritt nach § 367 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 AO auch ein Wechsel der Entscheidungsbefugnis im Einspruchsverfahren ein. Ein Wohnsitzwechsel i. d. S. liegt aber nur dann vor, wenn ein neuer Wohnsitz begründet worden ist und dieser von der Finanzbehörde ermittelt werden kann. Anderenfalls bleibt die Finanzbehörde entscheidungsbefugt, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat.[3]

[3] Hessisches FG v. 26.10.1987, 7 K 363/83, EFG 1988, 60.

2.4.3 Zuständigkeitsvereinbarung

 

Rz. 8

Nach § 367 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 AO bleibt bei einem Wechsel der Zuständigkeit der Finanzbehörde während des Einspruchsverfahrens die Regelung des § 26 Satz 2 AO unberührt. Danach kann die bisher zuständige Finanzbehörde ein Verwaltungsverfahren – hier also das Einspruchsverfahren – fortführen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens dient und die nunmehr zuständige Finanzbehörde zustimmt.[1] Die Zustimmung der Behörde bzw. deren Ablehnung ist kein anfechtbarer Verwaltungsakt.[2] Auch die Weigerung der ehemals zuständigen Finanzbehörde, eine Zuständigkeitsvereinbarung mit der neu zuständigen Behörde treffen zu wollen, ist nicht mit dem Einspruch anfechtbar.[3] Der Einspruchsführer hat keinen Anspruch auf die Herbeiführung einer Zuständigkeitsvereinbarung nach § 26 S. 2 AO.[4]

Die Behörde sollte im Hinblick auf die Auswirkungen auf den Gerichtsstand tunlichst auch die Zustimmung des Einspruchsführers einholen.[5] Die Zuständigkeitsvereinbarung kann nur im einzelnen Fall getroffen werden, generelle Absprachen zwischen den Finanzbehörden über die Fortführung des Einspruchsverfahrens im Fall des Zuständigkeitswechsels sind aus diesem Grund rechtswidrig.[6]

 

Rz. 9

Obgleich § 367 Abs. 1 S. 2 AO dies nicht ausdrücklich erwähnt, bleibt darüber hinaus im Einspruchsverfahren durch § 365 Abs. 1 AO auch die Möglichkeit, eine Zuständigkeitsvereinbarung nach § 27 AO hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit mit Zustimmung des Einspruchsführers zu treffen.[7]

[1] S. hierzu Horn, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, Erl. zu § 26 AO; AEAO Nr. 1 zu § 367 AO.
[2] Niedersächsisches FG v. 10.2.1983, XI 536/82, EFG 1983, 530; Birkenfeld, in HHSp, AO/FGO, § 367 AO Rz. 85.
[3] Hardtke, in Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, 22. Aufl. 2018, § 367 AO Rz. 7; Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 367 AO Rz. 7.
[5] So noch BMF v. 15.10.1979, IV A 6 – S 0600 – 14/79, BStBl I 1979, 642.
[6] FG Baden-Württemberg v. 23.1.1987, XIII – V 12/86, EFG 1987, 274.
[7] Birkenfeld, in HHSp, AO/FGO, § 367 AO Rz. 90; Koenig/Cöster, AO, 3. Aufl. 2014, § 367 Rz. 7.

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