1 Allgemeines

1.1 Überblick und Zweck

 

Rz. 1

§ 364b AO ermöglicht der Finanzbehörde, dem Einspruchsführer in bestimmten Fällen eine Frist mit ausschließender Wirkung zu setzen.

Abs. 1 benennt die Mitwirkungshandlungen, für deren Vornahme eine Frist gesetzt werden kann.

Abs. 2 Satz 1 bestimmt die zwingende Ausschlusswirkung des Fristablaufs.

Abs. 2 Satz 2 stellt über einen Verweis auf § 367 Abs. 2 Satz 2 AO klar, dass die Möglichkeit der Finanzbehörde zur Verböserung unberührt bleibt und Satz 3 über einen Verweis auf § 110 AO, dass die dort genannten Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für den Fall einer unverschuldeten Versäumung der Ausschlussfrist entsprechend gelten.

Abs. 3 schreibt vor, dass der Einspruchsführer mit der Fristsetzung über deren Folgen zu belehren ist.

 

Rz. 2

Der Gesetzgeber wollte mit der Vorschrift "dem Missbrauch des außergerichtlichen und des gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens zu rechtsbehelfsfremden Zwecken entgegenwirken". Es sollte verhindert werden, dass nur deshalb Einspruch eingelegt und Klage erhoben wird, um verspätet Steuererklärungen und sonstige steuerlich relevante Erklärungen erstmals abgeben zu können. Der Gesetzgeber versprach sich durch die Regelung insbesondere auch eine Entlastung der Gerichte.[1]

[1] BT-Drs. 12/7427, 37.

1.2 Rechtsentwicklung

 

Rz. 3

§ 364b AO ist durch das Grenzpendlergesetz[1] neu eingefügt worden und seitdem unverändert geblieben.

 

Rz. 4

Die Vorschrift wird seit ihrer Einführung teils heftig kritisiert[2] und gilt – zu Recht – als gesetzgebungstechnisch missglückt. Kaum eine Vorschrift im Einspruchsverfahren ist sowohl in grundlegenden Punkten als auch bei der Anwendung im Detail so unklar und umstritten.

Auf Seiten der rechtspolitischen Kritiker haben m. E. aber weder diejenigen Recht erhalten, die durch § 364b AO einen Abbau des Rechtsschutzes befürchteten[3], noch diejenigen, die die Regelung für einen "zahnlosen Tiger" hielten und halten.[4]

Eine Entlastung der FG wird § 364b AO sicherlich nicht erreicht haben. Es dürfte eher das Gegenteil der Fall sein, da die im Einspruchsverfahren nicht mehr zu berücksichtigenden Tatsachen und Beweismittel nach der zeitgleich eingeführten Bestimmung in § 76 Abs. 3 FGO im Klageverfahren doch noch eingeführt werden können. Der betroffene Stpfl. wird also geradezu in das finanzgerichtliche Klageverfahren "gedrängt".[5]

Eine Beschleunigung des Einspruchsverfahrens ist mit der Regelung aber durchaus möglich. Die Finanzbehörde hat mit § 364b AO ein Werkzeug zur Verfügung gestellt bekommen, mit dem sie auch zuverlässig unzuverlässige Stpfl. zur Erfüllung ihrer Mitwirkungspflichten anhalten kann. Nicht zu verachten ist insbesondere die psychologische Wirkung der Fristsetzung. Häufig lässt es sich beobachten, dass als träge zu bezeichnende Stpfl. bei Androhung der Ausschlusswirkung plötzlich rege werden.

In der Praxis macht die Finanzverwaltung von § 364b AO tatsächlich aber wohl nur selten Gebrauch.[6]

Rz. 5–7 einstweilen frei

[1] G. zur einkommensteuerlichen Entlastung von Grenzpendlern und anderen beschränkt steuerpflichtigen natürlichen Personen und zur Änderung anderer gesetzlicher Vorschriften v. 24.6.1994, BGBl I 1994, 1395.
[2] S. z. B. Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 364b AO Rz. 2; Stolterfoht, DStJG 18 [1995], 77, 108ff.; Koch/Schreiner, DStR 1998, 1197; Tiedchen, BB 1996, 1033, 1043.
[3] Felix, KöSDi 1994, 9903; Grune, DStZ 1995, 463.
[4] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 364b AO Rz. 2.
[5] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 364b AO Rz. 2.
[6] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 364b AO Rz. 2; Bartone, in Gosch, AO/FGO, § 364b AO Rz. 4; Bruschke, StB 2003, 253, 255.

2 Fristsetzung (Abs. 1)

2.1 Rechtsnatur der Fristsetzung

 

Rz. 8

§ 364b AO erlaubt es der Finanzbehörde, für die Aufforderung des Einspruchsführers zur Erfüllung bestimmter Mitwirkungshandlungen eine Frist mit Ausschlusswirkung zu setzen.

Die Vorschrift ist nicht die Rechtsgrundlage für die Aufforderung zur Mitwirkung, denn die Finanzbehörde ist hierzu bereits nach § 365 Abs. 1 AO i. V. m. §§ 90 Abs. 1, 93 AO befugt.[1] Sie berechtigt die Finanzbehörde vielmehr dazu, die Aufforderung mit einer Ausschlussfrist zu verbinden.[2]

 

Rz. 9

Es ist umstritten, ob diese Fristsetzung nach § 364b AO als Verwaltungsakt qualifiziert werden kann.

Bedeutsam ist die Beantwortung dieser Frage nach der Rechtsnatur der Fristsetzung insbesondere für die Bestimmung der Rechtsbehelfsmöglichkeiten, die gegen sie ergriffen werden können, und der Voraussetzungen, nach denen sie aufgehoben oder geändert werden können, sowie der Formvorschriften, die für sie zu beachten sind.

Der BFH hat die Frage bisher offen gelassen.[3] In Teilen der finanzgerichtlichen Rechtsprechung und von den wohl überwiegenden Stimmen in der Literatur wird die Fristsetzung zutreffend als Verwaltungsakt eingeordnet.[4]

Teilweise wird die Auffassung vertreten, die Fristsetzung sei nicht als Verwaltungsakt einzuordnen, weil mit ihr keine eigenständige Regelung getroffen werde.[5] Diese Auffassung überzeugt jedoch nicht.

Die Setzung der Frist stellt eine Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls dar, die auf unmittelbare Rechtsw...

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