3.1 Grundlagen

 

Rz. 55

Durch den Antrag an die Finanzbehörde eröffnet der Antragsteller (regelmäßig) gem. § 365 Abs. 1 AO i. V. m. § 86 AO das AdV-Verfahren. Der AdV-Antrag ist eine Verfahrenshandlung, durch die das Verfahren anhängig wird. Er darf also nicht an eine Bedingung geknüpft werden.[1]

 

Rz. 55a

Durch das 2. DSAnpUG-EU v. 20.11.2019[2] wurde mit Wirkung ab 26.11.2019 die Begrifflichkeit des "Betroffenen" durch die der "betroffenen Person" in § 361 Abs. 2 S. 2 AO ersetzt, dies stellt lediglich eine Anpassung der Begrifflichkeit an die des Datenschutzrechts der EU – Verordnung (EU) 2016/679 (DSGVO) – dar.[3]

 

Rz. 55b

Der Antrag bewirkt die finanzbehördliche Entscheidungspflicht (s. Rz. 7). Das Verfahren kann aber auch durch eine AdV-Gewährung seitens der Behörde angestoßen werden.[4] In der Praxis sollte regelmäßig ein Antrag gestellt werden, da nicht darauf vertraut werden kann, dass die Finanzbehörde insoweit von sich aus tätig wird.[5]

 

Rz. 55c

Zuständig für den AdV-Antrag ist nach § 361 Abs. 2 S. 1 AO die Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat.[6] Im Übrigen gilt für die Beantragung § 357 Abs. 2 S. 2 u. 3 AO entsprechend (zur Zuständigkeit für die Entscheidung s. Rz. 107).

Bei Anträgen auf Vollziehungsaussetzung von Grundlagenbescheiden und Realsteuermessbescheiden ist die für den Erlass des Folgebescheids zuständige Finanzbehörde und für den Erlass des Realsteuerbescheids zuständige Gemeindebehörde zu unterrichten, wenn die Finanzbehörde nicht in angemessener Zeit über den Aussetzungsantrag entscheiden kann.[7]

 

Rz. 56

Der AdV-Antrag an die Finanzbehörde ist nur in "Finanzangelegenheiten" i. S. v. § 347 Abs. 1 AO zulässig oder wenn der Finanzrechtsweg nach § 33 FGO gegeben ist.[8]

[1] Koenig/Cöster, AO, 4. Aufl. 2021, § 361 Rz. 28.
[2] BGBl I 2019, 1626.
[3] BT-Drs. 19/4674, 293.
[5] Dißars, in Zugmaier/Nöcker/Dißars, AO, § 361 AO Rz. 22. Zur Formulierung eines solchen Antrags vgl. Gehm, NWB TAAAB-05290 und Dißars, in Zugmaier/Nöcker/Dißars, AO, § 361 AO Rz. 80.
[6] AEAO zu § 361 Nr. 3.3; Dißars, in Zugmaier/Nöcker/Dißars, AO, § 361 AO Rz. 17.
[7] AEAO zu § 361 Nr. 5.4.1; Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 361 AO Rz. 12: generelle Unterrichtungspflicht.
[8] S. Rz. 78a; BFH v. 7.7.1971, I B 18/71, BStBl II 1971, 738 für die AdV der von der Gemeinde festgesetzten GewSt.

3.2 Antragsform

 

Rz. 57

Sicherheitshalber sollte der Antrag entsprechend § 357 AO in Schriftform oder zur Niederschrift der Finanzbehörde gestellt werden. Dabei kann die Antragstellung auch durch elektronische Kommunikationsmittel erfolgen.[1]

[1] Koenig/Cöster, AO, 4. Aufl. 2021, § 361 Rz. 28: § 357 Abs. 1 AO findet keine Anwendung (strittig) – Hessisches FG v. 27.9.2001, 3 V 483/01, EFG 2001, 104 verlangt Schriftform.

3.3 Antragsinhalt

 

Rz. 58

Der Inhalt des Antrags muss so konkretisiert sein, dass der angefochtene Verwaltungsakt, dessen AdV begehrt wird, eindeutig bestimmt ist.[1] Der Inhalt des Antrags bindet die Finanzbehörde in ihrer Entscheidungsbefugnis nicht. Die Wirksamkeit der AdV-Entscheidung wird nicht dadurch berührt, dass die Behörde über das Begehren des Antragstellers hinausgeht.[2]

3.4 Antragsbefugnis

 

Rz. 59

Die Antragsbefugnis steht ausschließlich den Beteiligten des Einspruchsverfahrens i. S. v. § 359 AO zu, soweit für diese nach § 350 AO bzw. § 40 Abs. 2 FGO die Einspruchs- bzw. Klagebefugnis gegeben ist.[1] Für Feststellungsbescheide gilt § 352 AO hinsichtlich der Antragsbefugnis.[2]

 

Rz. 59a

Für die sachliche Einschränkung der Antragsbefugnis bei der AdV von Grundlagen- und Folgebescheiden gilt § 351 Abs. 2 AO (s. Rz. 42). Die AdV des Folgebescheids kann demgemäß nicht mit Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Grundlagenbescheids begründet werden[3], wie auch umgekehrt die AdV des Grundlagenbescheids nicht mit Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Folgebescheids begründet werden kann.

 

Rz. 60

Wie für das Verfahren in der Hauptsache muss auch für die Antragsbefugnis im AdV-Verfahren ein Rechtsschutzbedürfnis vorliegen.[4] Sofern allerdings die besonderen Voraussetzungen der AdV erfüllt sind und insbesondere ein Aussetzungsgrund (s. Rz. 75) vorliegt, kann die allgemeine Antragsbefugnis nur in Ausnahmefällen abgesprochen werden, wenn der Antrag rechtsmissbräuchlich gestellt wurde oder unzweckmäßig ist, d. h. der gleiche Rechtsschutz auf andere Weise einfacher und billiger zu erreichen ist.[5] Kann der Antragsteller über den AdV-Antrag eine weitergehende oder aus seiner Sicht günstigere Rechtsposition erreichen, so ist das Rechtsschutzbedürfnis stets gegeben.[6]

 

Rz. 60a

Beispiele für den Fortfall bzw. das Nichtvorliegen der Antragsbefugnis:

  • Eintritt der aufschiebenden W...

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