3.1 Verwerfung wegen Unzulässigkeit (§ 358 S. 2 AO)

 

Rz. 34

Mangelt es an einer der genannten Zulässigkeitsvoraussetzungen, ist der Einspruch nach § 358 S. 2 AO als unzulässig zu verwerfen.

 

Rz. 35

Anders als im allgemeinen Verwaltungsrecht, in dem die Behörde als "Herrin des Verfahrens" auch bei Verfristung sachlich über einen Widerspruch entscheiden darf[1], ist es der Finanzbehörde durch das Gesetz ausdrücklich verwehrt, sachlich über den unzulässigen Einspruch zu entscheiden ("…ist der Einspruch als unzulässig zu verwerfen").[2]

 

Rz. 36

Die Verwerfung erfolgt durch eine Einspruchsentscheidung[3], deren Begründung sich auf die Darstellung des Fehlens der jeweiligen Zulässigkeitsvoraussetzungen beschränken kann. Bei einer Verfristung sind ggf. Überlegungen zu einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand anzustellen.

Eine Alternativ- oder Hilfsbegründung in der Sache ist darüber hinaus zwar möglich, aber rechtlich irrelevant. Insbesondere bewirkt sie nicht, dass dadurch der Einspruch zulässig wird.

[1] BVerwG v. 16.1.1964, VIII C 72.62, DVBl 1965, 89.
[3] §§ 366, 367 AO.

3.2 Sachentscheidung bei Zulässigkeit

 

Rz. 37

Ergibt die Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen dagegen die Zulässigkeit des Einspruchs, so hat die Finanzbehörde nach § 367 Abs. 2 S. 1 AO die umfassende Prüfung der materiellen Rechtslage vorzunehmen.

 

Rz. 38

In der Einspruchsentscheidung werden über das Ergebnis der Zulässigkeitsprüfung außer der Zulässigkeitsfeststellung regelmäßig keine Rechtsausführungen gemacht. Ausführungen zur Zulässigkeit sind grundsätzlich nicht zwingend.[1] Sie sind aber stets geboten, wenn die Zulässigkeit zweifelhaft ist[2], oder anderweitig eine besondere Veranlassung besteht, z. B. bei Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumnis der Einspruchsfrist.

[1] Klein/Rätke, AO, 16. Aufl. 2022, § 358 Rz. 3; Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 358 AO Rz. 5.
[2] FG Rheinland-Pfalz v. 19.10.1992, 5 K 2234/91, EFG 1993, 64.

3.3 Auswirkungen der Zulässigkeitsprüfung auf das Klageverfahren

 

Rz. 39

Will der Stpfl. gegen die Abweisung seines Einspruchs wegen Unzulässigkeit gerichtlich vorgehen, so ist dies nur mittels einer Anfechtungs- oder einer Verpflichtungsklage möglich. Das FG hat dabei inzident über die Frage der Zulässigkeit zu entscheiden. Eine Klage auf Feststellung der Zulässigkeit des Einspruchs, also ein gesonderter Streit nur über das Vorliegen von Sachentscheidungsvoraussetzungen, ist dagegen nicht zulässig.[1]

 

Rz. 40

Nach § 44 Abs. 1 FGO ist eine finanzgerichtliche Klage – vorbehaltlich der "Sprungklage" nach § 45 FGO und der "Untätigkeitsklage" nach § 46 FGO – nur zulässig, wenn der erforderliche Einspruch ganz oder z. T. erfolglos geblieben ist. Der Grund der Erfolglosigkeit ist dabei unerheblich. Für die Zulässigkeit der Klage ist es nicht erforderlich, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen des finanzbehördlichen Einspruchs vorgelegen haben.[2]

 

Rz. 41

Allerdings ist das FG an einer Sachentscheidung gehindert, wenn der Verwaltungsakt bestandskräftig geworden ist, was der Fall ist, wenn er nicht mit einem zulässigen Einspruch angefochten worden ist. Das FG hat daher die Zulässigkeit des Einspruchs im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens von Amts wegen zu prüfen.[3] Die rechtliche Behandlung des Einspruchs durch die Finanzbehörde in der Einspruchsentscheidung ist dabei irrelevant.[4] Das FG ist an diese nicht gebunden.[5] Vielmehr hat es eine fehlerhafte Entscheidung der Finanzbehörde im Klageverfahren zu berichtigen.[6]

 

Rz. 42

Lagen die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Einspruchs nach Ansicht des Gerichts nicht vor, ist die Klage zwar zulässig[7], aber ohne weitere Sachprüfung durch Sachentscheidung als unbegründet abzuweisen.[8] Eine isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung kommt in diesem Fall nicht in Betracht, weil das hierfür erforderliche Rechtsschutzinteresse des Stpfl. fehlt.[9]

 

Rz. 43

Lagen die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Einspruchs nach Ansicht des Gerichts vor, so ist das Gericht zur Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts auch dann verpflichtet, wenn die Finanzbehörde unzutreffend den Einspruch als unzulässig verworfen und damit keine Sachentscheidung getroffen hat. Diese gerichtliche Sachentscheidungspflicht besteht allerdings dann nicht, wenn der Stpfl. nur die Aufhebung der Einspruchsentscheidung beantragt hat. Für die isolierte Anfechtung der Einspruchsentscheidung besteht ein Rechtsschutzinteresse, damit dem Stpfl. infolge des finanzbehördlichen Verfahrensfehlers keine außergerichtliche Tatsacheninstanz verloren geht.[10]

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge