9.2.1 Allgemeines

 

Rz. 71

Der Untätigkeitseinspruch nach § 347 Abs. 1 S. 2 AO ist eine Sonderform des allgemeinen Einspruchs nach § 347 Abs. 1 S. 1 AO[1], sodass die Regelungen für das Einspruchsverfahren in den §§ 347ff. AO uneingeschränkt Anwendung finden.

Für die Form der Einspruchseinlegung gilt § 357 AO.

Die Beschwer für den Untätigkeitseinspruch ist nach § 350 AO dann gegeben, wenn geltend gemacht wird, dass über einen Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes binnen einer angemessenen Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Die Belastung des Einspruchsführers ergibt sich aus der Verletzung des Beschleunigungsgebots.[2]

[1] Rz. 69.
[2] Rz. 69.

9.2.2 Einlegungsfrist

 

Rz. 72

Eine eigentliche Einspruchsfrist besteht für den Untätigkeitseinspruch nicht.[1] Er ist allerdings nur zulässig nach Ablauf einer angemessenen Entscheidungsfrist[2] seit der Antragstellung[3] und vor Ergehen einer Sachentscheidung.[4]

9.2.3 Antrag auf Erlass eines einspruchsfähigen Verwaltungsakts

 

Rz. 73

Der Einspruchsführer muss bei der Finanzbehörde einen Antrag gestellt haben, eine bestimmte Maßnahme zu treffen.[1] Die Finanzbehörde muss rechtsverbindlich aufgefordert worden sein, eine Regelung zu treffen, sodass hierdurch das Verwaltungsverfahren begonnen[2] wurde und der Antragsteller erlangt nach § 78 AO in diesem Verfahren die Rechtsstellung eines Beteiligten.[3]

 

Rz. 73a

Bei der beantragten Maßnahme muss es sich um einen Verwaltungsakt in "Finanzangelegenheiten"[4] handeln[5], wobei der Inhalt der Regelung ohne Bedeutung ist. So ist etwa ein Untätigkeitseinspruch statthaft, wenn das FA eine Veranlagung trotz eingegangener ESt-Erklärung unterlässt.[6] Fehlt der begehrten Maßnahme die Rechtsqualität eines Verwaltungsakts, so ist auch der Untätigkeitseinspruch nicht statthaft.

 

Rz. 74

Der Untätigkeitseinspruch ist eine aufgrund der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG notwendige Ergänzung des Einspruchs gegen den erlassenen Verwaltungsakt.[7] Sie ist demgemäß nur statthaft, wenn der von der Finanzbehörde beantragte Verwaltungsakt mit dem Einspruch anfechtbar wäre.

Ist die Anfechtbarkeit des beantragten Verwaltungsakts z. B. ausgeschlossen nach:

  • § 348 Nr. 1 AO, weil der Erlass einer Einspruchsentscheidung begehrt wird, so kann Rechtsschutz ausschließlich über eine Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 1 FGO erlangt werden. Eine Verpflichtungsklage auf Erlass einer Einspruchsentscheidung ist nicht zulässig.[8]
  • § 348 Nr. 2 AO bei Untätigkeit im Einspruchsverfahren, so kann Rechtsschutz ausschließlich über eine Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 1 FGO erlangt werden. Eine Untätigkeits-Sprungklage ist im Hinblick auf die Sonderregelung des § 46 FGO ausgeschlossen.[9] Eine solche Klage ist unzulässig und wird auch nicht dadurch zulässig, dass nach Klageerhebung die beantragte Regelung von der Behörde getroffen oder der Antrag abgelehnt wird.[10]
  • § 348 Nr. 3 AO, weil es sich um einen Verwaltungsakt einer oberen Finanzbehörde bzw. um eine Prüfungs- oder Zulassungsentscheidung handelt, so kann Rechtsschutz ausschließlich über die Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 2 FGO erlangt werden.[11]

9.2.4 Nichtvorliegen des beantragten Verwaltungsakts

 

Rz. 75

Der Untätigkeitseinspruch ist nur zulässig, solange eine Entscheidung der Finanzbehörde über den Antrag noch nicht vorliegt, also der beantragte Verwaltungsakt bzw. die Ablehnung, den Verwaltungsakt zu erlassen, noch nicht bekannt gegeben worden ist (§ 124 Abs. 1 AO). Mit dem Einspruch kann nicht nachgeprüft werden, ob die zeitliche Verzögerung der Entscheidung über den Antrag durch die Finanzbehörde gerechtfertigt war.[1]

[1] Tappe, in HHSp, AO/FGO, § 347 AO Rz. 209.

9.2.5 Angemessene Entscheidungsfrist der Finanzbehörde

 

Rz. 76

Der Untätigkeitseinspruch ist nur zulässig und begründet, wenn die Finanzbehörde "ohne zureichenden Grund binnen angemessener Frist" seit der Antragstellung[1] nicht entschieden hat. Der Begriff "ohne zureichenden Grund binnen angemessener Frist" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Er ist in § 347 Abs. 1 S. 2 AO und in § 46 FGO inhaltsgleich.[2] Zweck dieser Regelungen ist es, den Bürger vor einer unzumutbar langwierigen Untätigkeit der Finanzbehörde zu schützen.[3] Aus diesem Normzweck ist der Inhalt des Begriffs zu bestimmen.

 

Rz. 77

Hierbei ist also das Interesse des Stpfl. an einer zügigen Sachentscheidung abzuwägen gegenüber den zeitlichen Erfordernissen des Verwaltungsverfahrens. Auch im finanzbehördlichen Verwaltungsverfahren gilt grundsätzlich das allgemeine Beschleu...

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