8.6.1 Nebenbestimmungen des § 120 AO

 

Rz. 61

Im Rahmen des § 120 AO können Verwaltungsakte mit Nebenbestimmungen versehen werden. Der Rechtsschutz ist abhängig vom Rechtscharakter der Nebenbestimmung.

8.6.1.1 Unselbstständige Nebenbestimmungen

 

Rz. 61a

Die Befristung[1], die Bedingung[2] und der Widerrufsvorbehalt[3] sind als unselbstständige Nebenbestimmungen Teil des Verwaltungsakts, dem sie beigefügt sind.[4] Die Anfechtung des Verwaltungsakts erstreckt sich notwendig auf die Nebenbestimmung. Soll nur die Rechtmäßigkeit der Nebenbestimmung überprüft werden, so erfolgt dies im Rahmen der Anfechtung der Gesamtregelung des Verwaltungsakts. Eine gesonderte Anfechtung der Nebenbestimmung ist nicht möglich.[5]

Soll nur die Rechtmäßigkeit der Nebenbestimmung überprüft werden, so kann der Beteiligte den Erlass eines Verwaltungsakts ohne Nebenbestimmung beantragen. Wird dieser Antrag innerhalb der Einspruchsfrist (§ 355 AO) gestellt, so ist er als Einspruch gegen den Verwaltungsakt aufzufassen. Rechtliche Selbstständigkeit hat der Antrag nach Ablauf der Einspruchsfrist. Gegen die Ablehnung des beantragten Verwaltungsakts ist dann der Einspruch gegeben.[6]

8.6.1.2 Selbstständige Nebenbestimmungen

 

Rz. 62

Die Auflage und der Auflagenvorbehalt[1] sind demgegenüber rechtlich selbstständige "Neben"-Verwaltungsakte, die zumeist äußerlich mit dem "Haupt"-Verwaltungsakt verbunden sind, aber den rechtlichen Gehalt des "Haupt"-Verwaltungsakts nicht einschränken. Der "Haupt"-Verwaltungsakt besteht rechtlich auch dann fort, wenn die Auflage oder der Auflagenvorbehalt aufgehoben wird. Der Regelungsinhalt des "Neben"-Verwaltungsakts ist demgegenüber auflösend bedingt[2] durch die Wirksamkeit des "Haupt"-Verwaltungsakts.

Die Anfechtung des "Haupt"-Verwaltungsakts erstreckt sich nicht auf den "Neben"-Verwaltungsakt. Dieser ist als selbstständiger Verwaltungsakt gesondert mit dem Einspruch anzufechten, wenn die Rechtmäßigkeit der Nebenbestimmung streitig ist.[3]

Stellt der Beteiligte einen Antrag auf Erlass eines – inhaltlich unveränderten – Verwaltungsakts ohne Nebenbestimmung, so muss dies im Hinblick auf die rechtliche Selbstständigkeit der Nebenbestimmung, wenn der Antrag innerhalb der Einspruchsfrist[4] gestellt wird, als Einspruch gegen den "Neben"-Verwaltungsakt, ansonsten aber als selbstständiger Antrag auf Aufhebung des "Neben"-Verwaltungsakts gewertet werden. Gegen die Ablehnung des Antrags ist sodann der Einspruch gegeben.[5]

[3] § 120 AO Rz. 10; BFH v. 25.8.1981, VII B 3/81, BStBl II 1982, 34 für die Auflage der Sicherheitsleistung bei Bewilligung eines Steuerlagers nach § 9 Abs. 1 MinölStG; Bartone, in Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, 21. Aufl. 2015, § 40 FGO Rz. 4; a. A. Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 40 FGO Rz. 10; auch Braun, in HHSp, AO/FGO, § 40 FGO Rz. 69 unter Berufung auf die Rspr. des BVerwG.
[5] Rz. 68.

8.6.2 Nachprüfungsvorbehalt (§ 164 AO)

 

Rz. 63

Eine besondere Nebenbestimmung zur Steuerfestsetzung bzw. zu Verwaltungsakten, auf die die Vorschriften über die Steuerfestsetzung entsprechend anzuwenden sind, ist der Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 1 S. 1 AO. Dieser Vorbehalt kann auch ohne ausdrückliche Aufnahme in den Steuerbescheid kraft Gesetzes bestehen.[1] Der Vorbehalt bewirkt nach § 164 Abs. 2 AO die – innerhalb der Festsetzungsfrist – jederzeitige Aufhebbarkeit oder Änderbarkeit der Festsetzung. Er ist seinem Wesen nach eine befristete[2] Bedingung i. S. v. § 120 Abs. 2 Nr. 2 AO und damit unselbstständige Nebenbestimmung.[3] Der Nachprüfungsvorbehalt kann demgemäß nicht isoliert angefochten werden, sondern eine Prüfung der Rechtmäßigkeit des Vorbehalts kann nur im Rahmen des Einspruchs gegen die Steuerfestsetzung bzw. bei erstmaliger Aufnahme in die Einspruchsentscheidung im Rahmen des Klageverfahrens erfolgen.[4] Dieser Einspruch ist auch dann zulässig, wenn der Beteiligte sonst durch den Verwaltungsakt nicht beschwert (§ 350 AO) ist. Die Rechtsverletzung kann sich auch durch den Nachprüfungsvorbehalt ergeben.[5]

 

Rz. 64

Stellt der Beteiligte innerhalb der Einspruchsfrist (§ 355 AO) einen Antrag auf – inhaltlich ansonsten gleiche – vorbehaltlose Festsetzung bzw. Aufhebung des Vorbehalts, ist dies als Einspruch gegen die Steuerfestsetzung zu werten. Wird dieser Antrag außerhalb der Einspruchsfrist gestellt, so ist gegen die Ablehnung der Einspruch gegeben.

Die Aufhebung des Vorbehalts steht nach § 164 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 AO einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt gleich. Die Ablehnung der Aufhebung ist also die Ablehnung des Erlasses eines Steuerbescheids, sodass der Einspruch statthaft ist.[6] Wird der Nachprüfungsvorbehalt von Amts wegen oder auf Antrag aufgehoben, so ist diese nunmehr vorbehaltlose Steuerfestsetzung vollen Umfangs einspruchsfähig.[7] Entfällt nach § 164 Abs. 4 AO der Nachprüfungsvorbehalt infolge des Ablaufs der Festsetzungsfrist kraft Gesetzes[8], so ist ein Einspruch nicht gegeben.[9]

[1] § 164 Abs. 1 S. 2 AO bei Vorauszahlungsfestsetzungen und § 168 AO bei St...

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