Rz. 22

Die Gewährleistung eines zeitnahen und gleichmäßigen Vollzugs der Steuergesetze ist Entscheidungsgrundlage und Normzweck. Sie muss maßgebendes Kriterium der Ziel- und Zweckverfolgung der Anordnung sein. Mit der Verknüpfung der Ziele durch das Wort "und" bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass sich beide Ziele bedingen und kumulativ vorliegen müssen.[1] Das Ziel eines zeitnahen Vollzugs der Steuergesetze trägt eine Anordnungsbefugnis nach § 29a AO nicht, wenn nicht auch der Gleichheitssatz[2] Beachtung findet und umgekehrt. Das Erfordernis des kumulativen Vorliegens beider Zielkomponenten bedingt, dass Unterstützungsbedürftigkeit bereits dann gegeben ist, wenn "nur" ein zeitnaher oder "nur" ein gleichmäßiger Vollzug in einem FA nicht mehr gewährleistet werden kann.[3]

 

Rz. 22a

Damit verbindet sich, auch wenn dies im Wortlaut des § 29a AO nicht zum Ausdruck kommt, dass auch der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung[4] ebenso wie der rechtsstaatliche Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung gleichfalls als uneingeschränkte Grundlage auch von Maßnahmen im Zusammenhang mit § 29a AO zu beachten sind. Die Norm schafft keine Notkompetenz. Das unterstützende FA wie auch die anordnende Behörde bleiben uneingeschränkt an die Besteuerungsgrundsätze des § 85 AO und an rechtsstaatliche Anforderungen gebunden.[5] Durch die flexiblen Unterstützungsmöglichkeiten des § 29a AO wird vielmehr eine größere Gewähr dafür geschaffen, dass ein nicht rechtmäßiger Gesetzesvollzug durch ein – jenseits einer Aussteuerungsprüfung durch ein fundiertes Risikomanagementsystem – ungeprüftes "Durchwinken" von Steuererklärungen nicht stattfindet.[6]

 

Rz. 23

Ob es demgegenüber zulässig wäre, die Anordnungsbefugnis zu nutzen, um in erster Linie außersteuerliche Zweckverfolgungen zu ermöglichen, darf bezweifelt werden.[7] Es dürfte kaum ausreichend sein, die Bewältigung zusätzlicher Aufgaben der Landesregierung – wie etwa die Wahrnehmung außersteuerlicher Aufgaben, z. B. die Unterstützung der Flüchtlingsunterbringung oder auch der Gesundheitsämter etwa wegen notwendiger prioritärer Personalverstärkung zur Pandemiebekämpfung – in bestimmten Bereichen durch FA-Angehörige dadurch zu ermöglichen, dass eine Aufgabenverteilung auf andere FÄ vorgenommen würde. Hier wäre die Gewährleistung des zeitnahen und gleichmäßigen Vollzugs der Steuergesetze erst in der zweiten Hierarchieordnung maßgebender Entscheidungsfaktor, der dem Grundziel der ersten Hierarchieebene zu dienen bestimmt wäre. Die Anordnungsbefugnis des § 29a AO wäre – zumindest bei unmittelbarer Verknüpfung der Entscheidungsgrundlagen – m. E. höchst zweifelhaft.

[1] Ebenso Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 29a AO Rz. 8; Wackerbeck, in HHSp, AO/FGO, § 29a AO Rz. 13.
[3] Wackerbeck, in HHSp, AO/FGO, § 29a AO Rz. 13.
[5] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 29a AO Rz. 8; Wackerbeck, in HHSp, AO/FGO, § 29a AO Rz. 15.
[6] Heller/Kniel, NVwZ 2019, 935, 937.
[7] Vollständig ablehnend Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 29a AO Rz. 9.

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